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Richtlinien Band 2: Dressurlektionen

So gelingt der fliegende Wechsel

Mit fortschreitender Ausbildung von Reiter und Pferd werden auch die zu erarbeitenden Lektionen schwieriger. Gut, dass es hierbei Hilfestellung gibt – und das nicht nur vom eigenen Ausbilder, sondern auch von den Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 2. Einst vielleicht als Theoriewerk dem Trainer A oder Pferdewirtschaftsmeister bekannt, sind diese in ihrer kürzlich erschienen Neuauflage deutlich praxisnäher geworden und bieten wertvolle Hilfestellung für jeden Reiter. Ein Beispiel gefällig? Das PM-Forum erklärt mit Hilfe der Richtlinien den fliegenden Galoppwechsel.

Praxisnahe Hilfestellung, wie man den fliegenden Galoppwechsel erarbeitet, finden Reiter in den neu aufgelegten Richtlinien Band 2. Fotos: Stefan Lafrentz

Der fliegende Galoppwechsel gehört zu den natürlichen Bewegungen des Pferdes. So wechseln zum Beispiel viele Pferde auf der Weide ganz natürlich fliegend den Galopp, wenn sie die Richtung ändern und bleiben so im Gleichgewicht. Um den fliegenden Galoppwechsel unter dem Reiter zu erarbeiten, lohnt zunächst ein Blick auf die Kriterien: Der ideale fliegende Galoppwechsel wird vom Pferd gelassen und fließend, gerade und erhaben, in gut erkennbarer Vorwärtstendenz durchgesprungen. Dabei erfolgt das Umspringen der Vorder- und Hinterbeine gleichzeitig im Moment der freien Schwebe. Der Reiter gibt die Hilfe zum Wechsel präzise, aber möglichst unauffällig.

Die korrekte Hilfengebung

Um das Umspringen präzise auszulösen, braucht es vom Reiter ein gutes Timing und viel Gefühl für die Bewegungen des Pferdes. Die Hilfe zum fliegenden Wechsel gibt der Reiter in der Regel im Moment der Einbeinstütze, also direkt vor der Schwebephase. Wann genau die Hilfengebung erfolgt, hängt individuell von der Reaktionszeit des Pferdes ab. Allerdings ist das Zeitfenster begrenzt: Nur im letzten Drittel eines jeden Galoppsprungs kann der Wechsel ausgelöst werden – das ist der Moment, in dem der Reiter das Gefühl hat, tiefer im Sattel zum Sitzen zu kommen. Das Pferd kann dann kurz vor dem Abdruck in die Schwebephase die Hilfe umsetzen und die Bewegungen entsprechend koordinieren: Das alte innere Hinterbein wird zum neuen äußeren Hinterbein und landet nach der Schwebe zuerst, während das alte äußere Hinterbein weiter durchspringen muss. Für die Hilfe zum Wechsel werden die Schenkel umgelegt: Der vorher verwahrende äußere gleitet an den Gurt, der vorher innere wird zurückgelegt. Beim losgelassen sitzenden Reiter wird durch das Umlegen der Schenkel automatisch die neue innere Hüfte vorgeschoben und er unterstützt so den neuen Galoppsprung als einseitig belastende Gewichtshilfe. Von besonderer Bedeutung für das Gelingen des Wechsels ist auch die Hand des Reiters. Im Moment des Umspringens gibt die neue innere Hand leicht nach und lässt den Galoppsprung heraus, während der neue äußere Zügel das Pferd einrahmt.

Die Basis muss stimmen

Der Wechsel kann nicht besser sein als die Galoppade selbst. Deshalb ist die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen des fliegenden Galoppwechsels ein guter Galopp: im klaren Dreitakt, losgelassen und in guter Selbsthaltung, aktiv durchgesprungen, geradegerichtet und sicher vor dem Reiter. Bevor mit dem Erarbeiten der Wechsel begonnen wird, lässt sich das Pferd gut versammeln, führt durchlässige, einfache Wechsel aus und beherrscht Tempounterschiede im Galopp auf beiden Händen.

Der fliegende Wechsel kann immer nur so gut sein wie der Galopp davor.

Erste Schritte

Zunächst wird der fliegende Wechsel zur besseren Galoppseite trainiert, also in der Regel von der hohlen Seite zur Zwangsseite. So bekommt das Pferd Sicherheit im Bewegungsablauf und Vertrauen. Ebenso hat es sich bewährt, den Wechsel anfangs jeweils an der gleichen Stelle der Reitbahn auszuführen, so kann das Pferd die komplexe Anforderung besser einordnen. Und wie bei allen neuen Übungen gilt auch für den fliegenden Galoppwechsel: Weniger ist mehr. Nach einem oder zwei guten Wechseln sollte der Reiter die Übung beenden und mit kleinen Fortschritten zufrieden sein. Bewährt haben sich außerdem Übungen, bei denen das Pferd den Wechsel auf gerader Linie springen kann, etwa auf der Diagonalen. Unmittelbare Richtungswechsel, wie zum Beispiel beim Durch-den-Zirkel-wechseln, stellen hingegen schon einen erhöhten Schwierigkeitsgrad dar. Für Pferde, die zum Schwanken oder Stürmen neigen, eignet sich der Wechsel vom Handgalopp zum Außengalopp an der langen Seite. Die Bande bietet hier eine optische Begrenzung, das Pferd bleibt besser gerade und konzentrierter beim Reiter. Welche Methode oder Übung der Reiter wählt, hängt immer individuell vom Pferd, seiner Veranlagung und seinem Temperament ab. Hierfür ist ein hohes Maß an Gefühl und Erfahrung erforderlich.

Häufige Fehler und ihre Korrektur

Die allermeisten Fehler bei den fliegenden Galoppwechseln entstehen durch ungenaue Vorbereitung und Hilfengebung des Reiters. Deshalb sind ein gutes Gefühl für den richtigen Galopp sowie Dosierung und Timing der Hilfe das A und O. Doch was tun, wenn Fehler da sind? Hier kommt es auf die Art des Fehlers an. Das Nachspringen des Wechsels oder das Umspringen in zwei Phasen tritt gerade zu Beginn häufig auf. Hier gilt es besonders, die Hilfengebung des Reiters noch einmal zu überprüfen: Gibt die innere Hand genügend nach? Wird der Schenkelimpuls im richtigen Moment gegeben? Bleibt der Reiter ruhig und gerade im Oberkörper? Oft liegt die Ursache für das Nachspringen aber auch in der Galoppade des Pferdes. Dann müssen durch Übergänge innerhalb des Galopps zunächst die Aktivität und die Lastaufnahme verbessert werden. Wechselt das Pferd vor oder nach der Hilfe, liegt häufig eine zu aufwendige Hilfengebung zugrunde. 

Ändert der Reiter sehr aktiv die Haltung seines Oberkörpers, um eine neue Sitzposition einzunehmen, bringt er damit unter Umständen das Pferd aus dem Gleichgewicht und verursacht ein zu frühes oder zu spätes Umspringen. Reagiert das Pferd verzögert, weil der Schenkelgehorsam nicht ausreichend ist, können einfache Wechsel mit wenigen Schritten und energischem Angaloppieren Abhilfe schaffen. Springt das Pferd den Wechsel mit hoher Kruppe, ist zunächst die Losgelassenheit und die Rückentätigkeit zu überprüfen und zu verbessern. Durch viele Übergänge, Tempounterschiede und einfache Galoppwechsel kann die Spannung abgebaut und die Durchlässigkeit gefördert werden.

Das Fazit

Sich vor dem praktischen Üben einer Lektion deren Kriterien und die korrekte Hilfengebung einmal theoretisch im Kopf zu vergegenwärtigen und zu überprüfen, ob die Basis stimmt, hilft ungemein. Nur was der Reiter in der Theorie verstanden hat, kann er auch auf dem Pferd umsetzen. Hat der Reiter selbst noch wenig Erfahrung mit dem fliegenden Galoppwechsel, ist unbedingt zu empfehlen, dass ein Ausbilder bei dessen Erarbeitung Hilfestellung leistet und unterstützt.

Die Richtlinien für Reiten und Fahren Band 2 „Weiterführende Ausbildung für Reiter und Pferd“ aus dem FNverlag lassen in ihrer Neuauflage bewährte Erfahrungen und neue Erkenntnisse zusammenfließen  und bieten einen detaillierten und praxisnahen Blick auf die weiterführende Ausbildung in der Dressur, im Springen und in der Vielseitigkeit. Der nebenstehende Text zum fliegenden Galoppwechsel ist mit  freundlicher Genehmigung des FNverlags daran angelehnt. Die Richtlinien Band 2 sind erhältlich im gut sortierten Buchhandel und unter www.fnverlag.de.

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