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Persönlichkeiten der Pferdeszene: Albert Darboven

Kaffeekönig auf der Galoppbahn

Der Pferdesport braucht Gönner und engagierte Liebhaber – beides trifft auf Albert Darboven zu, der mit Hingabe und Leidenschaft nicht nur den Rennsport unterstützt. Dabei sind Pferde „wie Mitmenschen“ für ihn.

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Albert Darboven mit seinem Hengst Polish Vulcano. Alle Fotos: Jacques Toffi

Es weht ein eisiger Wind Mitte November auf dem Gestüt IDEE in Hamburg Rissen, nur einen Steinwurf von der Elbe entfernt. Der Winter und das dicke Schal- oder zumindest das Kragen-hoch-Wetter hat Einzug gehalten. Das hindert den Hausherren aber nicht daran, den Besuch in seinem „Arbeitsanzug“, wie er es selbst nennt, zu empfangen: Bundfaltenhose, Krawatte, leichter Patchwork-Blouson. Albert Darboven friert nicht. Das mag vielleicht auch an der Begeisterungsfähigkeit des 85-Jährigen liegen – für den Reitsport im Allgemeinen und für seine selbstgezogenen Rennpferde im Besonderen; für den Galopp- genauso wie für den Trabsport, für Polo, für Kaffee und nicht zuletzt für die Kunst, für Menschen und Religionen.

Vielfältiger Förderer

Darboven wird gemeinhin als Hamburgs Kaffeekönig bezeichnet. Er ist Unternehmer, Geschäftsführer und Inhaber des Kaffeehandelshauses J.J. Darboven in vierter Generation, zu dem auch die Marken Mövenpick, Eilles und Alberto gehören. Der Name „J.J. Darboven“ begegnet einem häufig, auch jenseits des Kaffeegeschäfts. Albert Darboven unterstützt seit vielen Jahren das Hamburger Galoppderby als Finanzier und bis 2020 als Vize-Präsident des Hamburger Rennclubs. Auch auf dem Hamburger Spring- und Dressur-Derby gehört der Darboven-Schriftzug zur gewohnten Aufmachung. Mit der „Darboven Vereins-Initiative“ möchte der Kaffeeröster ländliche Reitturniere, Vereine und Ehrenämter fördern, indem er jährlich 100 Vereine bei der Ausrichtung ihres Turniers unterstützt mit einer Komplettausstattung des Kaffeebereichs mit Kaffeemaschinen, Kaffee und allem, was dazu gehört, einem Werbe-Kit sowie Ehrenpreisen.

Eine von Albert Darbovens Leidenschaften gilt dem Galopprennsport.

Auf dem Hof von Albert Darboven gibt es viel zu entdecken, jeder Raum hat seine besonderen Details.

Religionen im Dialog

Mit seiner zweiten Frau Edda Prinzessin von Anhalt, die er 1973 heiratete, hat er die „Albert und Edda Darboven Stiftung“ gegründet, die jährlich ein multireligiöses Friedensgebet auf dem Gestüt IDEE auf die Beine stellt mit Vertretern christlicher Religionen genauso wie shiitischen, sunnitischen, jüdischen und buddhistischen Geistlichen. Die Firma J.J. Darboven unterstützt außerdem Bildungseinrichtungen und hat einen Förderpreis ins Leben gerufen für Frauen mit innovativen Gründungsideen. Für sein Engagement „in nahezu allen Bereichen des norddeutschen Pferdesports“ erhielt Albert Darboven 2016 den „HansePferd Erinnerungspreis“ der Hamburg Messe und Congress GmbH.

Am Rande Hamburgs

Unter dem Dach der Darboven-Stiftung wird auch das Gestüt geführt, auf dem Albert Darbovens Pferde stehen. Ein 500 Jahre alter restaurierter Bauernhof mit rotem Backsteingemäuer und 45 Hektar Land am Stadtrand Hamburgs, der rund 30 Vollblüter beherbergt – Hengste, Stuten, Fohlen. Der Großteil steht Tag und Nacht auf den Weiden rund um das Gestüt. Eine Rennbahn ist hinter den Weidezäunen in der Ferne auszumachen, ein Leuchtturm markiert dort auch die Nähe zur Elbe. In der Reithalle können die jungen Galopper angeritten und ihre erfahreneren Boxennachbarn über den Winter fit gehalten werden. „Unsere Rennpferde werden außerhalb der Saison remontemäßig gearbeitet“, berichtet Albert Darboven.

Faszination für Polo

Wer hier goldene Türgriffe und Kronleuchter in der Stallgasse erwartet, der irrt. Bodenständig und praktisch ist der Stall angelegt, unaufdringlich wie der Hausherr selbst, die Boxen großzügig mit Fenster nach draußen. Dabei sind gar nicht alle Kapazitäten ausgeschöpft.

Albert Darboven (im roten Shirt) war bis 2006 noch im Polo-Sattel zu finden.

Der „Polo-Stall“ ist verwaist. Albert Darboven, der in jüngeren Jahren auch selbst einige Amateur- Galopprennen geritten ist, war bis 2006 im Polo-Sattel zu finden, „da sind vor allem Schnelligkeit, Wendigkeit und Treffsicherheit gefragt“, und hatte des Öfteren ein blaues Auge, „ich hatte riesiges Glück, dass ich mir keine größeren Verletzungen zugezogen habe.“ Außerdem ritt er 35 Jahre lang Jagden beim Schleppjagdverein Duvenstedt. Bis heute bestreitet der 85-Jährige noch Sulky-Rennen auf der Hamburger Rennbahn.

Mit der Zucht von englischen Vollblütern startete Albert Darboven 1964 in Hamburg-Iserbrook, wechselte dann gemeinsam mit der Zucht des Hamburger Zementherstellers Horst-Herbert Alsen, der einst mit Dressurreiterin Rosemarie Springer verheiratet war, für 20 Jahre nach Hamburg-Sülldorf, bevor es 1989 nach Rissen ging. Darboven kaufte gutes Blut in England und entwickelte seine Zucht in Hamburg weiter. Er züchtete eigene Polopferde und modelte genauso Galopper in Polopferde um.

Star des Hofs

Albert Darboven steht im gepflasterten Innenhof neben einem der Boxenfenster und krault dem Star des Stalls die Stirn: Polish Vulcano. Der Fuchs mit hübschem Kopf und auffälliger Blesse, der den legendären Lomitas zum Vater hat, gehört mit seinen 13 Jahren im Galoppsport schon zu den alten Hasen.

Er war erfolgreich auf der Rennbahn und ist mittlerweile ein gefragter Deckhengst. „Polish ist der einzige Hengst, bei dem ich mit einer Wolldecke in der Box schlafen würde. Er ist durch und durch lieb“, lobt der Besitzer. So vertraut und ruhig wie Albert Darboven mit dem vor Kraft strotzenden Hengst umgeht, glaubt man das sofort. Lomitas ist auch Vater der Stute Danedream, die mit ihren Siegen im L’Arc de Triomphe und den King George VI & Queen Elizabeth Diamond Stakes auch außerhalb der Rennszene für Aufsehen gesorgt hat.

Zwei Persönlichkeiten unter sich: Albert Darboven und der aktuelle Star seines Hofs, Hengst Polish Vulcano, der so lieb ist, dass „ich mit einer Wolldecke in der Box schlafen würde.”

Erfolgszucht

Seinen größten Rennerfolg feierte das Gestüt IDEE 1992, als der selbstgezogene Pik König unter Billy News das Hamburger Derby gewann. Albert Darboven war der erste, der einen Derby-Sieger in Hamburg als Züchter und Besitzer in einer Person stellen konnte. Weitere große Sieger des Gestüts sind Rubina (Festa-Rennen), Mi Anna („Premio Repubbliche Marinare“ in Rom), Kifti (Sieger im Großen Preis von Meran, einem der wertvollsten Rennen Europas) und Power-Flame, der gewinnreichste IDEE-Galopper, der insgesamt vier Gruppe-Rennen gewann (Europcar-Meile, Ostermann-Pokal, Oettingen-Rennen und Jaguar-Meile). „Unsere Gianna v. Silvano ist in Ascot gegangen. Das war einmalig! Da hat die Königin aber geschaut“, erzählt Darboven und lächelt. Polish Vulcano stammt aus derselben Familie wie Pik König. „Pferde sind für mich wie Mitmenschen, mit denen man etwas unternehmen kann. Ein Pferd zeigt Gefühle. Sympathie spürt das Pferd sofort“, beschreibt der 85-Jährige seine Faszination für Pferde.

Kunst-Leidenschaft

Am Eingang des Gestüts hat Albert Darboven ausreichend Platz geschaffen für seine zweitgrößte Leidenschaft: für die Kunst. Zu bewundern in einem Skulpturenpark, in dem über 50 Objekte stehen. Ideenreiche und fantasievolle „Konzeptkunst“, filigrane Holzarbeiten genauso wie schwere Steinskulpturen bis hin zum Michel und dem Brandenburger Tor aus Hufeisen – Letzteres wurde aus 11.067 (!) Stück errichtet. Der Terroranschlag 9/11 ist mit verkohlten Baumresten dargestellt, daneben Hiroshima, himmlische Boten, die Arche Noah, La Vida Profunda, der Urknall, eine Hommage an den Schöpfer und der Schiefe Turm von Pisa. Albert Darboven arbeitet meist mit Naturmaterialien, entwurzelten Bäumen, Steinen und Muscheln, „ich liebe Muscheln“. In seiner Werkstatt, die gleich neben den Stallungen liegt und in der allerlei Spezialwerkzeug wie beispielsweise Glasschneider zu finden ist, hat er eimerweise Muscheln gesammelt.

„EVA” heißt sein neuestes Kunstprojekt. Die Buchstaben stehen für Erkenntnis, Vernunft und Achtung.

Albert Darboven fühlt sich auf der Galopprennbahn in Hamburg-Horn zuhause.

Sein aktuelles Projekt ist ein großes Herz aus Metall, das Martin Luther, Galileo Galilei, Gandhi und Mutter Theresa darstellt und für Erkenntnis, Vernunft und Achtung – „Eva“ – stehen soll. „Die Kunst ist der Ausdruck meiner Gefühle und Empfindungen“, so Albert Darboven, der viele seiner Kunstwerke selbst macht, aber auch oft der Ideengeber ist und gute Leute hat, die seine Vorstellungen und Visionen umsetzen.

Viel zu entdecken

Nicht nur im Skulpturenpark ist Darbovens Kunst zu bewundern. Bei einem Spaziergang über den Hof merkt man, dass dieser Pferdebetrieb sich doch etwas unterscheidet von anderen. In vielen Ecken, auf den Dächern oder auch unter der Decke des Stalls sind kleinere und größere Werke und Bilder zu entdecken. Und umfunktionierte, kunstvoll drapierte Kaffeesäcke. Das Büro an der Reithalle ist erweitert durch einen Raum mit Sitzgelegenheit, der mehr einem Teehaus gleicht denn einem Reiterstübchen, an den Wänden ausgestattet mit unzähligen Teekisten.

Der „Hühnerstall“, der früher genau das war und immer noch so heißt, wurde umfunktioniert zu einem gemütlichen Raum mit allerlei faszinierenden Anekdoten aus der ganzen Welt, in dem der Hausherr ganz gelassen aufnimmt, dass sein Besuch eben gerade keine Kaffeetrinkerin ist. Vor dem Hühnerhaus steht ein Maibaum – ein hoher Kiefernstamm, dessen Äste ersetzt wurden durch seitliche Ausleger, an denen kleine Wappen mit Bildern von Pferden und Jockeys hängen, die an der Geschichte des Gestüts mitgewirkt haben. Auch Pik König ist dort vertreten.

Lumpi, das Pony

In der Mitte des Hofes werden Besucher von einem Kunstwerk einer anderen Art empfangen: ein Buchsbaum in Form eines Reiters auf einem Pferd. „Das ist Lumpi. Sehr pflegeleicht. Muss nur ab und zu geschoren werden.“ Lumpi war Darbovens erstes Pony, das mit einem Treck aus Ostpreußen kam, ein Doppelpony. Danach ritt er auf dem Traber Aladdin, den er auf Galopp umtrainierte. „Die ganze Familie hat schon immer gewiehert“, erklärt er den Ursprung seiner Pferdeleidenschaft. Geboren wurde Albert Darboven, der von seinen Vertrauten „Atti“ genannt wird, 1936 in Darmstadt. Nach seiner Einschulung begann eine kleine Odyssee für den damals Sechsjährigen, die ihn vom Odenwald, wo er bei seiner Babysitterin untergebracht war, nach Kulmbach, Heppenheim und Hamburg führte.

Mit seinem Unternehmen engagiert sich Albert Darboven vielfältig im Pferdesport, hier als Sponsor des Hamburger Springderbys bei der Ehrung des Siegerpaars Nisse Lüneburg und Cordillo.

Auch in Corona-Zeiten mit Maske noch stilsicher: Albert Darboven am Rande des Hamburger Spring- und Dressurderbys in Klein-Flottbek.

Spannender Lebensweg

Als sein Vater starb, wurde er von seiner Tante und von seinem Onkel adoptiert, der das Familienunternehmen J.J. Darboven führte, und kam so zum ersten Mal mit dem Kaffeehandwerk in Berührung. Er besuchte das Internat Louisenlund in Schleswig-Holstein und absolvierte nach seiner Mittleren Reife eine Lehre zum Außenhandelskaufmann bei Bernhard Rothfos, einem weltweit führenden Rohkaffee-Dienstleistungsunternehmen und Hamburger Kaffeeimporteur. Für Rothfos reiste er viel und lange ins Ausland und war als Einkäufer auf Kaffeeplantagen unter anderem in Nicaragua, Costa Rica und El Salvador, wo er auch seine erste Ehefrau kennenlernte, mit der er Sohn Arthur Ernesto bekam. „Die Menschen meinten es gut mit mir“, sagt Albert Darboven rückblickend auf seinen Lebensweg. Ende 1960 kam er aus dem Ausland zurück und übernahm die Firma seines Adoptivvaters.

Hoffnung und Vision

Während Albert Darboven aus seinem Leben erzählt, geht es für zwei der neun Stuten, mit denen Darboven aktuell züchtet, und ihren Nachwuchs auf die Wiese. Stolz blickt der Senior dem Fohlen hinterher. „Waldgespenst, meine große Hoffnung! Wir züchten und leben mit der Hoffnung. Die darf nicht abhandenkommen, sonst macht es keinen Spaß mehr.“ Darbovens andere Hoffnung ruht auf Hamburg-Horn. Dort möchte er eine Doppelrennbahn, ein Hippologisches Zentrum, errichten. Neben der Galopprennbahn sollen dort auch eine Bahn für Traber, ein Turnierplatz für Springen und Dressur und einer für Poloturniere entstehen. Bisher stockt das Projekt noch, es hängt am Geld und an Befürwortern. Aber: „Es sieht gut aus. Ich bleibe dran!“ Mit vielen Eindrücken im Gepäck geht der Besuch bei Albert Darboven und auf dem Gestüt IDEE zu Ende, in der Jackentasche eine Muschel – ein Andenken à la Darboven.

Laura Becker

So stellt man sich einen „Kaffeekönig” vor: mit Kaffeetasse in der Hand.

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