Interview zum Buch „Lernen vom Pferd“

Führung mit vier Hufen

Was passiert, wenn ein ehemaliger Top-Manager den Pferdestall zum Seminarraum macht? Dr. Jörg Leitolf, langjährige Führungskraft und Vorstand eines großen Finanzdienstleisters, hat genau das getan. Im Interview mit dem PM-Forum verrät er seine Erkenntnisse, spricht über seine Motivation, die Wirkung pferdegestützter Trainings und warum echte Präsenz, Klarheit und Körpersprache am Ende mehr sagen als tausend Worte. Und er stellt sein kürzlich im FNverlag erschienenes Buch „Lernen vom Pferd“ vor.

PM-Forum: Was hat Sie dazu inspiriert, das Buch „Lernen vom Pferd“ zu schreiben? 

Dr. Jörg Leitolf: Pferde begleiten mich seit meiner Kindheit. Sie haben mir als Sport- und Freizeitpartner immer viel gegeben. Auch das ganze Drumherum, also die Pferdezucht, die Landwirtschaft, artgerechte Pferdehaltung und insgesamt der Umgang mit den Tieren faszinieren mich bis heute. Pferde sind mein Ausgleich. Wir haben 20 Jahre einen kleinen privaten Reitstall betrieben – ein Gegenpol zur Managertätigkeit. Schaut man genauer hin, erkennt man viele Parallelen, kleinere und größere Erfolgsgeheimnisse in beiden Bereichen und eben diese Erfahrungen wollte ich weitergeben, weil man, so denke ich, viel davon mitnehmen kann – sowohl im privaten als auch im beruflichen Raum.

PM-Forum: Wie haben Ihre Erfahrungen als Reiter und Führungskraft Ihre Perspektive auf pferdegestützte Trainings beeinflusst?

Dr. Jörg Leitolf: Wichtig ist mir, dass „Lernen vom Pferd“, sachgerecht durchgeführt, kein Hokuspokus und kein „nächster Hype“ ist. Mensch und Pferd teilen 6000 Jahre gemeinsame Geschichte. Vieles davon spiegelt sich im heutigen Umgang mit Pferden wider und auch in meinen Seminaren. Modernes Management hat eine Geschichte von vielleicht 150 bis 200 Jahren, da können wir einiges lernen. Pferde halten uns einen unbestechlichen und ehrlichen Spiegel vor – in Echtzeit, für jeden verständlich.

PM-Forum: Inwiefern sehen Sie Parallelen zwischen Erlebnispädagogik und pferdegestützten Trainings?

Dr. Jörg Leitolf: Erlebnispädagogik heißt: raus aus Alltag und Routinen, rein in Natur, Berge, Wald, Wasser. Ziel ist ganzheitliches Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Beim Lernen vom Pferd ist das Pferd selbst der Coach. Auch das Herdenverhalten, also Konfliktlösung und Entscheidungsfindung, liefern wertvolle Impulse.

PM-Forum: Wie gelingt der Transfer in den beruflichen Alltag?

Dr. Jörg Leitolf: Die Teilnehmenden kommen nicht unvorbereitet ins Seminar. Es ist meist Teil eines internen Entwicklungsprogramms. Vorher gibt es ein Video-Meeting und Persönlichkeitsfragebögen. Danach eine Nachbetrachtung und Evaluation. Der Prozess ist eingebettet und reflektiert.

PM-Forum: Für welche Zielgruppen sind Ihre Trainings besonders geeignet?

Dr. Jörg Leitolf: Für alle, die ein Feedback zu ihrer Kommunikation und Wirkung erhalten wollen – ehrlich und direkt vom Pferd. Besonders Menschen außerhalb der Reiterszene zeigen Interesse. Das Grundgefühl gegenüber Pferden ist positiv, das Thema weckt Neugier und Lernbereitschaft.

PM-Forum: Können Sie ein besonders einprägsames Erlebnis schildern?

Dr. Jörg Leitolf: Nach Erscheinen des Buchs im Frühjahr meldeten sich viele Ehemalige mit ihren Erlebnissen. Eine Teilnehmerin erinnerte sich, wie sie voller Bedenken – fast schon mit einem Anflug von Angst – ein Pferd im Round Pen zum Traben bringen sollte. Durch präzise Umsetzung der Anweisungen reagierte das Pferd bereitwillig – ein starkes, emotionales Erlebnis, auf das sie stolz war und das lange bei ihr nachwirkte.

PM-Forum: Welche Entwicklungen sehen Sie für die Zukunft pferdegestützter Trainings?

Dr. Jörg Leitolf: In einer technisierten, naturfernen Welt sind solche Trainings eine wertvolle, niederschwellige Möglichkeit für Persönlichkeitsentwicklung. Aus meiner langjährigen Erfahrung sind sie unter den wirksamsten Outdoor-Angeboten.Die Erlebnisse bleiben lange im Gedächtnis – manchmal mit konkreten Bildern von Pferd, Kollegen und Dynamiken. Ich setze mich für ihre qualifizierte Durchführung ein und wünsche mir mehr Aufmerksamkeit für dieses Format.

Das Interview führte Lorella Joschko.