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Psychologie: Dr. Gaby Bußmann im Interview

Die Corona-Pandemie motiviert meistern

Gaby Bußmann war einst eine erfolgreiche Läuferin, bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984 gewann sie Bronze. Mittlerweile hat sie einen Doktortitel und arbeitet als Sportpsychologin – unter anderem auch für die deutschen Kaderreiter. Im Interview mit dem PM-Forum verrät sie, wie man in den schwierigen Corona-Zeiten auch als Reiter seine Motivation hoch hält.

In Zeiten der Corona-Pandemie für viele Reiter eine Herausforderung: Motiviert zu bleiben und die Freude an der Arbeit mit dem Pferd zu erhalten. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

PM-Forum: Aktuell befinden wir uns bekanntlich im Lockdown. Welche mentalen Belastungen bringt dieser verbunden mit der „dunklen Jahreszeit“ mit sich?

Dr. Gaby Bußmann: Unser gewöhnlicher Alltag ist aus der Bahn geworfen worden. Alltägliche Routinen wie sich in ein Café zu setzen, können nicht mehr ausgeübt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen: Selbstverständliches ist aktuell nicht mehr selbstverständlich. Und in Verbindung mit der dunklen Jahreszeit haben wir geringere Freiheitsgrade. Außerdem verändert sich unsere Kommunikation, sie verlagert sich ins Digitale. Dort ist es schwieriger, nonverbale Signale zu erkennen, und die haptische Wahrnehmung, Berührungen sind deutlich eingeschränkt.

PM-Forum: Reiten ist grundsätzlich möglich. Dennoch beklagen viele Reiter eine fehlende Motivation. Ist das eine direkte psychologische Folge des Lockdowns oder eine indirekte?

Dr. Bußmann: Ich würde sagen sowohl als auch. Aus meiner Sicht zeigt sich aktuell aber auch, dass „alte“ Probleme erneut auftauchen. Also dass bestimmte Dispositionen, das meint Veranlagungen, die man scheinbar gut im Griff hatte, wieder zurückkommen können.

PM-Forum: Was versteht man in der Psychologie überhaupt unter Motivation?

Dr. Bußmann: Dazu gibt es viele und teils sehr umfangreiche Definitionen. Bei der einfachsten wird die Motivation mit der Richtung, Intensität und Ausdauer des Verhaltens erklärt. Ansonsten wird bei der Motivation und besonders bei der Ursachenzuschreibung noch unterschieden zwischen Erfolgszuversicht und Misserfolgsangst.

PM-Forum: Wenn über Motivation gesprochen wird, hört man oft die Begriffe intrinsisch und extrinsisch. Was steckt hinter diesen Wörtern?

Dr. Bußmann: Intrinsische Motivation kommt von innen heraus, weil die Aufgabe einem selbst Spaß macht. Man bestimmt sein Verhalten selbst. Bei extrinsischer Motivation wird das Verhalten eher von außen bestimmt. Beide Quellen können zu Erfolgen führen. Auf Dauer ist aber die intrinsische Motivation intensiver, weil man selbstbestimmt handelt.

PM-Forum: Aufgrund der aktuellen Situation ist es für Turniersportler schwierig, die für sie wichtigen Ziele zu definieren. Was würden Sie diesen raten?

Dr. Bußmann: Ich habe viel mit Athleten gesprochen und diesen empfohlen, die Zeit persönlich zu nutzen. Also zu schauen, in welchen Bereichen sie sich verbessern können, bisher aber keine Zeit dafür hatten. Solche kleineren „Baustellen“ anzugehen, kann ein durchaus sinnvolles Ziel sein. Ansonsten würde ich empfehlen, „back to the roots“ zu gehen.

PM-Forum: Wie meinen Sie das?

Dr. Bußmann: Dass man für sich reflektiert, warum man eigentlich zum Pferdesport gekommen ist. Sich an schöne Erlebnisse zurückerinnert – unabhängig vom Turniersport. Im zweiten Schritt kann man sich fragen, was man schon immer mal verbessern wollte. Damit sichert der Reiter weiteres Vorankommen.

PM-Forum: Warum haben auch Freizeitreiter mit Motivationsproblemen zu kämpfen, wenn sie hauptsächlich aus „Spaß an der Freude“ reiten?

Dr. Bußmann: Auch für sie ist das Übliche nicht mehr realisierbar. Die Arbeit mit dem Pferd ist sicherlich die Hauptmotivation. Aber ich denke, dass für viele Freizeitreiter auch der gesellige Austausch und das Miteinander wichtig sind.

PM-Forum: Sie waren kürzlich bei einem „Insta-Live“ auf dem FN-Channel. Worüber haben Sie da gesprochen?

Dr. Bußmann: Wir haben uns mit dem Resilienzansatz, also der psychischen Widerstandsfähigkeit, beschäftigt. Da ist es wichtig, Dinge präzise und vollständig wahrzunehmen. Holt man sich vertrauensvolle Informationen ein, können Ängste gemindert werden. Außerdem haben wir zur Stressregulation über Atemtechniken gesprochen. Ein großer Bereich drehte sich dann um das Annehmen und Akzeptieren. Wenn ich eine Situation annehme und eine Emotion akzeptiere, kann ich sie nutzen. Denn jede Emotion liefert Informationen.

Dr. Gaby Bußmann ist als Sportpsychologin sehr gefragt. Foto: FN-Archiv

PM-Forum: Wie kann man ein Motivationsproblem bekämpfen oder zumindest herausfinden, was helfen könnte?

Dr. Bußmann: Der Klassiker als Tipp ist: Struktur schaffen, tägliche Routinen entwickeln. Das gibt Sicherheit und hilft gegen Chaos. Außerdem erlangt man wieder eine Selbstwirksamkeit. Und eine zukunftsorientierte Sicht und Humor helfen. Humor ist eine gute Veränderungszutat und sorgt für Zuversicht und Leichtigkeit. Außerdem kann man die aktuelle Entschleunigung auch als positiven Effekt betrachten. Die Zeit also nutzen, um sich auf die eigenen Stärken zu fokussieren und sich zu reflektieren.

PM-Forum: Wie geht man den Prozess der Selbstreflektion am besten an?

Dr. Bußmann: Beispielsweise mit einem Brainstorming. Meiner Erfahrung nach ist auch die Kommunikation mit anderen wichtig. Ich kann jemanden Vertrautes fragen, ob ihm etwas einfällt, worüber ich schon oft gesprochen habe, aber nie Zeit dafür hatte. Gerade im Sport ist es auch hilfreich, darüber zu reden, dass andere Athleten ebenfalls zu kämpfen haben und wie sie diese Zeit bewältigen.

PM-Forum: Demnächst erscheint Ihr Buch „Mental stark im Pferdesport – zufrieden, konzentriert, selbstbewusst“, das sie mit Lena Marie Heinze geschrieben haben. Was wird den Leser erwarten?

Dr. Bußmann: Wir beschäftigen uns mit Themen aus der Sportpsychologie und verschiedenen psychologischen Richtungen. Wir haben einen interdisziplinären Ansatz gewählt, also Methoden und Denkweisen verschiedener Fachrichtungen integriert. Es wird um Resilienz gehen, wie man mit Niederlagen umgeht und Fortschritte erkennt. Außerdem werden Angst, Konzentration, Selbstvertrauen, Vorstellungstraining und Stressabbau thematisiert. Das Buch ist für den Reitsport geschrieben, man kann es aber für das Leben allgemein nutzen. Es ist ein fachlich fundiertes und praktikables Arbeitsbuch. Arbeitsbuch heißt auch gemäß dem Zitat von Goethe: „Erfolg hat drei Buchstaben: TUN!“

Das Interview führte Nico Nadig.

Dr. Gaby Bußmann/Lena Marie Heinze

Mental stark im Pferdesport: zufrieden – konzentriert – selbstbewusst

FNverlag, Warendorf 2020
1. Auflage 2020
168 Seiten, zahlreiche Abbildungen,
Format 168 x 240 mm,
Spiralbindung
ISBN: 978-3-88542-359-1
22,00 € (D)

Erhältlich unter www.fnverlag.de, im Buchhandel und in Reitsportfachgeschäften.

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