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Lernen vom Reitmeister: Hubertus Schmidt
„Mit Traversalen lernen die Pferde richtig zu traben“
„Das feine Reiten war immer mein Ziel. Es gelingt mir natürlich nicht immer, aber nur dann macht es Spaß!“ Beständig hat Hubertus Schmidt seinen Weg des feinen Reitens verfolgt. „Wenn Reiten so richtig toll wird, wird es zur Kunst. Bei einer Handvoll Prüfungen in meinem Leben, hatte ich so ein richtig tolles Gefühl.“
Der Westfalen-Hengst Escolar ist das aktuelle Spitzenpferd von Hubertus Schmidt. Foto: Stefan Lafrentz
2005 beispielsweise war so ein Erlebnis, von dem er noch heute schwärmt: „2005 war ein tolles Jahr für mich. Da ging Wansuela Suerte vom Allerfeinsten, genau nach meiner Philosophie. Das war wunderschönes Reiten, sie war einfach durchlässig!“ In diesem Jahr holte Hubertus Schmidt EM-Gold mit dem Team, wurde Vize-Europameister in der Einzelwertung und sicherte sich den Titel des Deutschen Meisters. 2006 kam WM-Gold mit der Mannschaft hinzu. Zehn Jahre später ist der Reitmeister knapp an seiner zweiten Olympiateilnahme vorbeigeschrammt: Mit dem Trakehnerhengst Imperio reiste er als Ersatzreiter nach Rio. Zwölf Jahre zuvor hatte er mit Wansuela Suerte den Sprung ins olympische Team geschafft. 2004 war Schmidt nicht nur Mitglied der Gold-Equipe in Athen. Er wurde zudem Fünfter in der Einzelwertung und genoss eine besondere Ehre: Er erhielt den Titel des Reitmeisters. Damit war Hubertus Schmidt der erste noch aktive Reiter, der mit diesem Titel ausgezeichnet wurde.
Vom Torwart zum Reitmeister
„Bis ich 18 war, habe ich Fußball gespielt. Ich war am Ende Torwart, aber ob ich es im Fußball auch bis in die Nationalmannschaft geschafft hätte? Beim Reiten war ich ehrgeiziger. Da war mein Ziel von Anfang an, mal einen Grand Prix zu gewinnen.“ Fußballfan ist Schmidt geblieben. Fußball – Schmidt ist treuer „Bielefelder“ – Motorrad fahren und seine wöchentliche Skatrunde, das lässt sich Schmidt bei aller Pferdebegeisterung nicht nehmen. Aber die Pferde und der Dressursport wurden seine Passion. 1965 trat die Altenau in Borcheln-Etteln über die Ufer. Das Wasser stieg bis zur Flutkatastrophe, 1972 musste Familie Schmidt ihren Bauernhof umsiedeln. Damals war Hubertus Schmidt zwölf Jahre alt, drei Jahre zuvor hatte er seine erste Reitstunde bekommen. „Ich bin immer zwölf Kilometer mit dem Fahrrad durch die Ettelner Berge zum Reitstall gefahren.“
Mit der Hannoveraner-Stute Wansuela Suerte feierte Hubertus Schmidt große Erfolge und hatte eine der besten Prüfungen seines Lebens, wie er sagt. Foto: Arnd Bronkhorst
Mit 18 Jahren hat Schmidt den elterlichen Reitbetrieb übernommen und seine Bereiterprüfung gemacht, mit 23 bestand er die Meisterprüfung mit Stensbeck-Auszeichnung. Schmidt machte aus dem Fleyenhof, zu deutsch „Fohlenhof”, einen klassischen Reit- und Pensionsbetrieb mit großer Reitschule und kleiner Zucht. „Ich hatte sehr früh sehr viel Verantwortung“, erklärt er. „Und ich konnte nicht vom Hof weg, um bei einem Trainer zu lernen. Ich bin nur viele Lehrgänge mitgeritten und habe mir bei jedem das Beste für mich rausgesucht.“ Inzwischen gehört Schmidt längst selbst zu den besten Trainern der Welt, betreut internationale Kunden und war zwischenzeitlich Trainer der Finnen und der Schweden.
Voller Ehrgeiz
Als Reitschülerin auf dem Fleyenhof lernte er auch 1978 Doris kennen. Vier Jahre später heirateten die beiden und wurden auch sportlich ein Top-Team: „Doris hat ein Super-Auge“, betont Schmidt. „Sie ist nicht wie ein Trainer, der mir sagt, was ich wann tun soll, aber sie ist mein Coach. Sie nimmt nie ein Blatt vor den Mund – das ist manchmal hart, aber gut!“ 1987 kam Sohn Nikolas auf die Welt, der heute die Hengststation leitet, 1989 Tochter Inga. 1987 war auch das Jahr, in dem Schmidt auf Playboy seinen ersten Grand Prix ritt. „Playboy hatte unglaubliches Talent für Piaffe und Passage, so dass auch ich ihm das beibringen konnte, obwohl ich selbst noch keine Erfahrung hatte.“ Mit Playboy hat Schmidt auch L-Springen bestritten und eine Vielseitigkeitsprüfung der Klasse A gewonnen – typisch Schmidt. Bevor er sich ganz auf die Dressur konzentriert hat, ist er oft mit sechs Pferden aufs Turnier gefahren: Drei für das M-Springen, drei für die M-Dressur.
Reitmeister Hubertus Schmidt ist auch als Coach sehr gefragt. Foto: Stefan Lafrentz
Warum er sich schließlich für die Dressur entschieden hat? „Weil ich das Arbeiten mit den Springpferden zwischen den Turnieren einfach total langweilig fand!“ 2020: Heute ist Schmidt mit Escolar auf höchstem Niveau unterwegs, war zeitweise sogar im Olympiakader. Auf dem Fleyenhof stehen aber auch noch sehr gute Nachwuchspferde und der Reitmeister, inzwischen begeisterter Opa, ist weiter voller Ehrgeiz. „Noch mal bei einem Championat dabei sein – dazu habe ich noch mal richtig Lust!“
Kim Kreling
Hubertus Schmidts Ausbildungstipp: Traversalen
„Traversalen sind für mich das Wichtigste in der Ausbildung von Pferden, wenn es darum geht, die Grundqualität im Trab und Galopp zu verbessern. Durch das Reiten von Traversalen werden die Pferde beweglicher, die Hinterhand wird dazu angeregt, weiter nach vorne durchzuschwingen, die Schulter wird lockerer und die Schulterfreiheit verbessert. Durch systematische Arbeit mit Traversalen lernen die Pferde richtig zu traben, fangen an, den Galopp mehr ins Bergauf anzulegen, setzen sich vermehrt und nehmen Last auf. So ist die Galopp-Traversale für mich auch die beste Vorarbeit für die Pirouette.
Bevor ich an Traversalen denke, muss ich das Pferd zunächst im Arbeitstrab zum Schwingen bringen. Diesen Schwung möchte ich unbedingt erhalten, wenn ich mit Volten beginne – die können zuerst gerne 15 statt zehn Meter groß sein. Wenn die Volten schwungvoll durchgetrabt klappen, beginne ich mit dem Schultervor, danach mit dem Schulterherein. Immer wieder steht im Mittelpunkt, dass der Schwung erhalten bleibt. Erst wenn mein Pferd im Schulterherein taktsicher und schwungvoll bleibt und sich selbst trägt, dann kann ich mit dem Reiten von flach angelegten Traversalen beginnen. Diese Systematik ist wichtig: Volte, Schultervor, Schulterherein, Traversale – der Grad der Längsbiegung wird immer mehr erhöht und das große schwingende Traben muss erhalten bleiben.
Traversalen (hier mit Trakehner-Hengst Imperio) sind Hubertus Schmidt sehr wichtig in der Ausbildung seiner Pferde – durch sie verbessert er auch die Grundqualität im Trab und Galopp. Foto: Arnd Bronkhorst
Durch das konsequente Erarbeiten vermehrter Längsbiegung schaffe ich mir auch die Möglichkeit, mein Pferd immer besser außen aufzunehmen. Die halbe Parade muss unbedingt durchlässig angenommen werden, damit das innere Hinterbein gut vorschwingen kann. Mit dem jungen Pferd ist es immer ratsam, von der Mittellinie zum Hufschlag flach zu traversieren. In Richtung des Hufschlags fällt es den jungen Pferden leichter. Die Traversale lege ich zunächst so flach an, beispielsweise von der Mittellinie bis zum Ende der langen Seite, dass der große, schwingende Trab mitgenommen werden kann. Je nach Ausbildungsstand lege ich dann die Traversalen nach und nach immer etwas steiler an.
Der begeisterte Hobby-Fußballer ist im großen Viereck zuhause. Foto: Stefan Lafrentz
Als Reiter muss man unbedingt darauf achten, dass man in der Traversale vermehrt auf dem inneren Gesäßknochen sitzt. Häufig sieht man, dass Reiter auf der falschen Seite tief sitzen. Das ist das Schlimmste, was mir als Reiter passieren kann, und wenn ich das Pferd nicht vom inneren Zügel wegbekomme. Auf der sogenannten „hohlen” Seite ist das einfacher, aber auch auf der festeren Seite muss ich innen überstreichen können. Beides, das vermehrte Gewicht auf dem inneren Gesäßknochen und die Leichtigkeit am inneren Zügel, ist wichtig, damit das Pferd mit dem inneren Hinterbein durchschwingen, Last aufnehmen und locker zum weiten Kreuzen kommen kann.
Achtung: Beim Reiten mit Kandare darf auf gar keinen Fall der innere Kandarenzügel vorherrschen. Der innere Trensenzügel ist der, der mehr Stellung erzeugen kann. Bei vorherrschendem Kandarenzügel werden die Pferde eher eng im Genick, als sich seitwärts locker zu machen.
Mein Fazit: Es gibt keine bessere Lektion als die Traversale, um die Grundgangarten Trab und Galopp zu verbessern, wenn man systematisch in der Ausbildung vorgeht und immer den Takt und das Durchschwingen in den Vordergrund stellt.“
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