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Lernen vom Reitmeister: Hubertus Schmidt
Cavaletti-Training
Gold wert
Cavaletti bringen Abwechslung ins Training und können bei jedem Pferd Positives bewirken – ganz egal in welcher Disziplin, in welchem Alter und auf welchem Ausbildungsniveau. Unbedingt ausprobieren!
Sie bringen Abwechslung ins Training und haben zahlreiche positive Effekte auf das Pferd: Cavaletti sind wahre Alleskönner. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv
Cavaletti sind Alleskönner. Kaum ein anderes Hilfsmittel hat so viele positive Effekte auf das Pferd wie die drei bis 3,50 Meter langen Stangen – auch Bodenricks genannt – aus Holz, Aluminium, Schaumstoff oder Plastik, die auf beiden Seiten an einem Kreuz- oder Quadrat-Ständer befestigt sind. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Disziplin oder auf welchem Ausbildungsniveau sich das Pferd bewegt. „Das Reiten über Bodenricks ist nach meiner Ansicht ein ganz wertvoller Bestandteil in der Ausbildung und Gymnastizierung aller Reitpferde und Pferde jeden Alters, unabhängig von einer eventuellen sportlichen Spezialisierung“, betont Reitmeister Martin Plewa.
Auch Dressurreiterin und Perspektivgruppenmitglied Bianca Nowag weiß die besonderen Stangen für sich zu nutzen: „Cavaletti bauen wir regelmäßig in unser Training ein, um Abwechslung in die tägliche Dressurarbeit zu bringen. Wir nutzen einzelne Cavaletti, springen aber auch mal einen kleinen Parcours. Die Dressurpferde bekommen den Rücken frei, werden locker und haben richtig Spaß. Häufig machen sie einen kleinen Bocksprung nach dem Cavaletti und freuen sich richtig.“ Die Bezeichnung „Cavaletti“ kommt aus dem Italienischen: „cavalletto“ bedeutet Bock, Gestell, Ständer, „cavalletti“ im Plural. Der Italiener Federico Caprilli soll erstmals Cavaletti in das Training integriert haben. Im Sprachgebrauch wird „Cavaletti“ sowohl für ein als auch für mehrere Bodenricks verwendet.
Wertvolle Alleskönner
Die spezielle Konstruktion der Cavaletti mit den beiden Seitenteilen hat gleich zwei Vorteile: Sie können dadurch in drei unterschiedlichen Höhen aufgebaut werden. Je nach Drehung liegt die Stange auf einer Höhe von etwa 15, 25 oder 35 bis 40 Zentimetern. Außerdem können die Stangen dadurch im Training nicht wegrollen, die Verletzungsgefahr ist minimiert.
Dressurreiterin Bianca Nowag setzt im Training auf Cavaletti, um den Galopp ihrer Pferde zu verbessern. Foto: Stefan Lafrentz
Cavaletti lassen sich als Ergänzung und Abwechslung in das Training integrieren. Sie eignen sich nicht nur für Spring- und Vielseitigkeitspferde, auch Dressur- und Freizeitpferde können extrem profitieren. Man kann an jedem Punkt der Skala der Ausbildung gezielt arbeiten und Grundlegendes verbessern. Mehrere Cavaletti (zwei bis vier) im gleichmäßigen Abstand geben dem Pferd einen rhythmischen Bewegungsablauf vor, so dass Takt und Gleichgewicht gefestigt werden. Hat das Pferd im Schritt Probleme, fußt es kurz-lang oder geht passartig, können Cavaletti helfen, den Ablauf zu korrigieren. Das Pferd lernt, seinen Schwerpunkt zu verlagern und durch den Körper zu arbeiten. Es hebt den Brustkorb an, fußt kraftvoller ab und lässt den Hals fallen – das verbessert die Rückentätigkeit. Die Arbeit lockert die Muskulatur, fördert den Muskelaufbau und kräftigt die Hinterhand des Pferdes. Es gewinnt an Geschmeidigkeit und Kadenz, die Schwebephase wird ausgeprägter. Kondition und Ausdauer werden gesteigert.
Reitmeisterin Ingrid Klimke ist bekannt dafür, dass sie gerne mit Cavaletti arbeitet – auch mit ihren Dressurpferden wie hier Franziskus. Foto: Horst Streitferdt
Losgelassenheit verbessern
„Der besondere Wert des Reitens über Bodenricks liegt in der Optimierung der Losgelassenheit und der Verbesserung der Schubkraft im Trabe“, weiß Martin Plewa aus seiner Erfahrung. „Bevor ich über Bodenricks reiten lasse, sollten die Pferde schon über einen gewissen Grad an Losgelassenheit verfügen und bereits eine sichere Dehnungsbereitschaft beim Zügel verlängern zeigen. Die Bodenricks dienen der Weiterentwicklung der Losgelassenheit. Beginnt man zu früh damit, neigen Pferde dazu, sich durch kleine Zwischentritte der Trittverlängerung zu entziehen.
Ein wichtiges Indiz für den richtigen Zeitpunkt ist, wenn man über den Bodenricks die Zügel aus der Hand kauen lassen kann und die Pferde sich dabei vermehrt vorwärts-abwärts dehnen.“ Außer der Optimierung der Losgelassenheit, Rückentätigkeit und Schubkraft verbessere das Reiten über Bodenricks auch nachhaltig das Gleichgewicht des Pferdes, erklärt Martin Plewa weiter. Weil das Pferd im Trab die Schwebephase verlängere und das nicht-stützende Beinpaar länger in der Luft aushalten müsse. „Damit muss sich das Pferd auch mit dem stützenden Beinpaar länger ausbalancieren. Nach meiner Erfahrung wird die Entwicklung bestimmter Muskelgruppen sehr gefördert, vor allem die der Schulter, der Hinterhand und des Rückens.“
Übungshilfe
Bianca Nowag nutzt die Cavaletti-Arbeit auch im Trab, aber vor allem im Galopp, um das Gleichmaß und den Rhythmus zu festigen. „Die Pferde lernen, den Galoppsprung zu vergrößern und zu verkleinern, die jungen Pferde finden schneller ihre Balance. Wenn die Fünf- auf Sechsjährigen den fliegenden Wechsel lernen sollen, reite ich gerne über ein einzelnes Cavaletti auf dem Zirkel bei X einen Handwechsel. Das ist eine tolle Einleitung, um die Wechsel zu üben. Außerdem trainiere ich viel mit Cavaletti auf gebogenen Linien, um auch an Stellung und Biegung arbeiten zu können. Super ist eine viertel Zirkellinie mit fünf, sechs Cavaletti.“
Im Training eines Spring- oder Vielseitigkeitspferdes kann der Reiter mit Hilfe von Cavaletti Aufgabenstellungen eines Parcours üben, ohne viele „richtige“ Sprünge zu machen und so die Belastung unnötig zu erhöhen. Für einen Stechparcours oder eine Geländestrecke kann er das präzise und schräge Anreiten eines Sprungs üben, verschiedene Wendungen und schmale Hindernisse. „Im Galopp nutze ich Bodenricks in der Regel nur hochgestellt, damit das Pferd einen kleinen Sprung darüber macht“, erläutert Martin Plewa.
Es muss nicht immer gleich ein ganzer Parcours sein, Cavaletti eignen sich prima, um das Rhythmusgefühl zu trainieren. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv
„Hierdurch wird insbesondere die Rücken- und Hinterhandmuskulatur besonders gekräftigt. In der Ausbildung des Reiters kann ich sehr gut den Rhythmus schulen, in der Ausbildung des Pferdes zum Beispiel die Galoppsprunglänge vor einem Sprung oder zwischen Sprüngen in einer Kombination oder Distanz beeinflussen. Ich setze Bodenricks auch häufig ein, um die Rittigkeit beim Springreiten zu verbessern, aber auch im vielseitigen Unterricht in Verbindung mit kleinen Sprüngen im Sinne sogenannter Caprilli-Tests.“ Genauso wird das (Freizeit-)Pferd durch das Cavaletti-Training geschickter, geschmeidiger und trittsicher, es bekommt immer wieder neue Denkaufgaben gestellt, es muss sich konzentrieren und fokussieren.
Machen das Training bunter
Cavaletti machen das Training im wahrsten Sinne bunter, sie motivieren und bringen Spaß – Pferd und Reiter: „Bei den Pferden sorgt das Cavaletti-Training für Abwechslung“, bekräftigt Bianca Nowag, „aber auch für mich als Reiterin ist es mal etwas anderes und tut mir gut. Außerdem kann ich mich selbst schulen, mein Rhythmusgefühl und mein Auge für Distanzen.“ Das Pferd profitiert enorm vom Cavaletti-Training, aber eben auch der Reiter lernt viel dabei.
Takt und Gleichmaß lassen sich durch Reiten über Cavaletti verbessern, gleiches gilt für die Losgelassenheit. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv
Durch das Überwinden einzelner oder mehrerer Cavaletti bekommt er ein Gefühl für das (mittige) Anreiten, er lernt, den optimalen Weg, das richtige Tempo und damit die richtige Distanz zu wählen. Er verinnerlicht die Trittlänge bzw. die Galoppsprunglänge seines Pferdes. Außerdem lernt der Reiter, locker, geschmeidig, ausbalanciert, dynamisch und flexibel in der Bewegung des Pferdes mitzugehen, den Schwung durch die Knie- und Fußgelenke nach unten durchzufedern und seine Hilfen optimal einzusetzen.
Longieren über Cavaletti
Nicht nur unter dem Sattel ergänzen Cavaletti das Training sinnvoll und hilfreich, dasselbe gilt auch für die Arbeit an der Longe bzw. Doppellonge. Dafür eignen sich besonders Cavaletti mit abgeflachten bzw. abgerundeten Seitenteilen, weil die Longe darin nicht hängenbleiben kann. Die Vorteile des Trainings sind dieselben wie unter dem Sattel – dabei fällt es vielen Pferden an der Longe leichter, den Rücken aufzuwölben und sich losgelassen vorwärts-abwärts zu bewegen. Über den Cavaletti kann das Pferd ohne Reitergewicht lernen, seine Bewegungen zu koordinieren und auszubalancieren.
Mit Cavaletti kann in der Reithalle, auf dem Außenplatz oder auch auf einer Wiese oder im Gelände trainiert werden. Wichtig ist, dass die Bodenverhältnisse dafür geeignet sind. Das bedeutet, der Boden sollte eben, rutschfest und nicht zu hart oder zu weich sein. Tiefer Boden beansprucht Bänder und Sehnen übermäßig, harter Boden federt die Bewegungen des Pferdes nicht ab. Bandagen, Gamaschen und Sprungglocken schützen die Pferdebeine während des Trainings. Man beginnt zunächst im Schritt, dann im Trab und schließlich im Galopp. Dabei gilt zunächst folgender Grundsatz: Die niedrigste Einstellung der Cavaletti ist für alle Gangarten geeignet, die mittlere für Trab und Galopp und die höchste für die Arbeit im Galopp.
Erste Schritte
Liegen die Cavaletti in etwas weiteren Abständen, fördern sie vor allem die Dehnungshaltung und größere Bewegungen. Das Pferd muss sich vermehrt dehnen und dynamischer abfußen.
Eine sinnvolle Ergänzung zum Training: Longieren über Cavaletti bringt die Pferde dazu, mehr über den Rücken zu arbeiten. Foto: Antje Janke/FN-Archiv
Die Abstände
Schritt: 80 bis 90 Zentimeter
Trab: 1,20 bis 1,40 Meter
Galopp: ca. 3 Meter
Bei engeren Abständen muss das Pferd vermehrt die Hanken beugen und schneller abfußen. Kennt das Pferd noch keine Cavaletti, macht man es zunächst im Schritt mit einem einzelnen Cavaletti am besten an der Bande vertraut. Fangständer können ein Ausweichen verhindern. Das übt man so lange, bis das Pferd ruhig und entspannt geradeaus über das Cavaletti schreitet. Der Reiter sollte es zu jeder Zeit mit seinen Hilfen einrahmen. Eine konstante Zügelverbindung, die dem Pferd genügend Raum gibt, sich mit der neuen Aufgabe auseinanderzusetzen und sich auszubalancieren, es gleichzeitig aber nicht alleine lässt, vermittelt Sicherheit. Ein erfahrenes Führpferd kann besonders großen Skeptikern helfen, ihre Scheu zu überwinden. Nach und nach steigert man die Anzahl der Cavaletti. Wichtig ist, dass der Reiter die Cavaletti gerade und mittig überwindet und mit der Hand, dem Oberkörper und der Mittelpositur geschmeidig in der Bewegung mitgeht, im Sattel leicht wird bzw. den Rücken des Pferdes entlastet.
Auf gebogener Linie aufgestellt, lässt sich mit Cavaletti die Geschmeidigkeit fördern – und natürlich können auch Wendungen so trainiert werden. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv
Weiche Schaumstoff-Stangen dienen der Sicherheit. Auch wenn es früher üblich war: Niemals sollten runde Stangen lose auf dem Boden liegend zum Einsatz kommen, zu groß ist die Verletzungsgefahr. Foto: Stefan Lafrentz
In Trab und Galopp
Am anspruchsvollsten ist das Cavaletti-Training im Galopp bzw. auf gebogenen Linien. Am besten eignet sich eine Reihe mit bis zu vier oder fünf Cavaletti. Die kann man beliebig variieren, sie bietet alle Trainingsmöglichkeiten und erarbeitet alle positiven Effekte und gleichzeitig kann sich das Pferd im Zweifel noch selbst helfen, wenn es mal unpassend an die erste Stange kommen sollte. Bei mehr als fünf Cavaletti fällt es den meisten Pferden schwer, genügend Kraft und Koordination aufzubringen, den verloren gegangenen Rhythmus wiederzufinden. „Ich selbst setze Bodenricks sehr häufig ein, vor allem in der lösenden Trabarbeit“, verrät Martin Plewa.
Beim Springtraining kann ein einzelnes Cavaletti vor dem Sprung als Absprunghilfe dienen. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv
„Hierbei sind sie niedrig gestellt, das heißt, sie haben etwa eine Höhe von 15 Zentimetern. Gerne stelle ich sie auf einer gebogenen Linie fächerförmig auf mit etwas engeren Abständen innen und etwas weiteren Abständen außen. So kann ich sie in einem Gruppenunterricht mit Pferden unterschiedlichen Raumgriffs nutzen bzw. mit Beginn der Arbeit über den Bodenricks zunächst mehr auf der Innenseite, mit zunehmender Losgelassenheit auch auf der äußeren Seite reiten lassen.“
Laura Becker
Tipps für den Aufbau
- Trab-Cavaletti fördern besonders die Tätigkeit der Rückenmuskulatur. Tolle Übung: Über den Cavaletti die Zügel aus der Hand kauen lassen.
- Ein sogenannter Zwischentritt – wenn man also aus einer Reihe ein Cavaletti herausnimmt – oder auch Cavaletti in unterschiedlicher Höhe fördern die Aufmerksamkeit und Balance des Pferdes.
- Über Cavaletti auf gebogenen Linien wird das Pferd vermehrt gymnastiziert, die Hinterhandaktivität stärker angesprochen, die Längsbiegung verbessert und die Geschmeidigkeit besonders gefördert. Achtung: Das Training auf gebogenen Linien ist anspruchsvoll, nicht zu oft wiederholen und in kurzen Reprisen abfragen.
- Besondere Übung: Hat man die Möglichkeit, die Seitenteile auf einer Seite zu entfernen, kann man eine Reihe mit vier bis sechs Cavaletti so aufbauen, dass man jeweils eine Stange links hochlegt, die nächste rechts usw. Das fördert die Konzentration, Trittsicherheit und das kraftvolle Abfußen.
- Bei Cavaletti-Reihen auf dem zweiten oder dritten Hufschlag, auf der Diagonalen oder Mittellinie muss der Reiter sein Pferd sicher zwischen den Hilfen einrahmen. Das Pferd lernt, gleichmäßig von hinten nach vorne an die Hand heranzutreten und gerade zu bleiben. Die Übergänge werden verbessert, Aufmerksamkeit und Konzentration werden gefördert.
- Einen Trab-Schritt-Übergang kurz vor einer Cavaletti-Reihe reiten, im Schritt über die Reihe, dann wieder antraben. Dadurch wird das Pferd durchlässiger und es lernt, in kurz aufeinanderfolgenden Reprisen, gleichmäßig und raumgreifend zu schreiten.
- Aus dem Zirkel wechseln oder halbe Volte links, halbe Volte rechts im Trab oder Galopp reiten und über der Wechsellinie eine Cavaletti-Reihe im Schritt absolvieren – das fördert das korrekte Reiten der Hufschlaglinien und eine taktreine, gleichmäßige Schrittphase zwischen den Volten.
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