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Unser Stall soll besser werden

Geschafft: Die Stute hat ihr Fohlen zur Welt gebracht und nimmt Kontakt auf. Foto: Marc Rühl

Rund um die Pferdegeburt – Teil II: Geburtsüberwachung und Fohlengesundheit

Schicksalsstunden

Bald ist es so weit: Die Bäuche der Stuten runden sich, im April werden die meisten der Fohlen hierzulande geboren. Höchste Zeit, letzte Vorbereitungen für die Geburt zu treffen und die Weichen für den Jahrgang 2018 zu stellen.

So schön es ist, wenn das neugeborene Fohlen im Stroh liegt und von der Mutter beschnuppert wird, so viel kann schiefgehen auf der Zielgeraden. Dass die Box längst bezogen und sauber ist, dass die Eisen der Stute abgenommen sind, um das Verletzungsrisiko zu minimieren, dass dafür gesorgt ist, dass die Abfohlbox am Tag X gut beleuchtet werden kann – alles selbstverständlich. Und allenfalls bei vier bis sechs Prozent aller Pferdegeburten – je nach Definition – kommt es zu Problemen. Doch gerade deshalb möchte kein Züchter den entscheidenden Augenblick verpassen. Wann aber ist der? Bekanntlich ist zwischen 320 und 360 Tagen Trächtigkeitsdauer bei der Stute alles „normal“. Aber glücklicherweise gibt die Stute auch Hinweise auf die bevorstehende Geburt, wenn diese auch bei der einen oder anderen Pferdedame eher dezent ausfallen.

 

Ödeme, Harz und Milch?

Da ist zum einen das Euter, das im letzten Monat der Trächtigkeit deutlich an Umfang zunimmt. Oder – wenn die Milch sehr spät „einschießt“, wie die Züchter das nennen – eben auch nicht. Bei vielen Stuten bilden sich außerdem in den letzten Tagen vor der Geburt die typischen „Harztropfen“ an den Zitzen, ein klebriges Sekret. Nicht bei allen und manchmal länger, oder auch erst kurz vor der Geburt. Außerdem erschlaffen die Beckenbänder – je nach Stute allerdings mehr oder weniger deutlich. Auch die Scheide wird schlaffer und erscheint vergrößert. Bei welchem Grad der Erschlaffung allerdings mit der Geburt zu rechnen ist, weiß keiner im Vorfeld so genau. Auch Ödeme, also Flüssigkeitseinlagerungen im Gewebe, meist an der Unterseite des Bauches, können auftreten. Und nicht zuletzt werden die Stuten unmittelbar vor der Geburt unruhig, beginnen umherzulaufen, zu scharren und zu schwitzen. Ein Zeichen, dass es jetzt losgeht? Kann durchaus sein. Manche Stute allerdings wendet sich anschließend wieder ganz entspannt ihrer Krippe zu oder beginnt, gemütlich Heu zu mümmeln.

Das liegt unter anderem daran, dass Stuten den Zeitpunkt der Geburt bis zu einem gewissen Maß selbst bestimmen oder doch zumindest hinauszögern könenn. Während auf der Stallgasse hektische Betriebsamkeit herrscht, fohlt kaum eine Stute, die werdende Mutter braucht Ruhe. Rund 60 Prozent der Pferdegeburten finden deshalb zwischen 21 und 3 Uhr statt.

Die Nabelschnur reißt in aller Regel von alleine. Der Nabelstumpf sollte in den ersten Lebenstagen des Fohlens mehrmals desin­fiziert werden. Fotos: Arnd Bronkhorst

Hat die Stute die Nachgeburt (Eihaut) vollständig abgestoßen? Die Kontrolle ist wichtig, denn verbleibende Reste in der Gebärmutter können schwere Erkrankungen (Geburtsrehe) auslösen.

Technik hilft

Wie gesagt, der eine oder andere Hinweis ist dezent oder führt, was den Abfohlzeitpunkt angeht, gewaltig in die Irre. Was Pferdegeburten angeht, so bestätigen eben zahlreiche Ausnahmen die Regeln. Früher hat man Pferdezüchter deshalb an tiefen, dunklen Augenringen und häufigem Gähnen erkannt – Zeichen akuten Schlafmangels aufgrund der vielen langen, in der Nähe der Abfohlbox durchwachten Nächte. Heute können sie dagegen im wahren Sinne des Wortes ausgeschlafen sein, die Technik macht’s möglich.

Längst haben Videokameras Einzug ihn die Zuchtställe gehalten, sind beinahe Standard. Wer sich allerdings alleine darauf verlässt, verbringt die Nächte zwar vermutlich bequemer, muss aber trotzdem ständig ein wachsames Auge auf den Bildschirm haben. Auch die Kombination etwa mit Lichtschranken in der Box ist recht fehlerträchtig. Zwar legen sich die meisten Stuten zur Geburt hin, manche aber auch noch in den Tagen davor. Der ein oder andere Fehlalarm ist also vorprogrammiert.

Deshalb setzt man heute auf sogenannte Geburtsmelder, die mit Hilfe eines Gurtes oder eines Halfters angebracht werden. – Vorsicht: Möglichst nicht „im letzten Moment“, sonst verlegt die werdende Mutter den Termin aufgrund der ungewohnten Ausrüstung doch noch mal. Ihre Sensoren reagieren auf die Lage der Stute und senden bei Seitenlage ab einer bestimmten, individuell wählbaren Dauer per Funk ein Signal, das den Alarm auslöst. Den allerdings darf man sich nicht als Sirene im Stall vorstellen, das wäre wohl die sicherste Methode, um zu erreichen, dass die Stute sich die Sache mit der Geburt nochmal überlegt. Vielmehr wird dieser Alarm an eine Empfänger- oder Basisstation übermittelt.

Andere Systeme setzen auf das Messen der Fellfeuchtigkeit, alarmieren also dann, wenn die Stute beginnt, stark zu schwitzen. Ein weiteres System ist das der Scheidenkontrolle, bei dem etwa Magnete in die Schamlippen der Stute eingesetzt werden. Das Alarmsignal wird gesendet, wenn sich der Abstand über einen festgelegten Wert hinaus vergrößert, was in der Regel bei Austritt der Fruchtblase geschieht. Auch eine Kombination der verschiedenen Parameter ist möglich.

Je nach Funkverbindung ist die Reichweite des Signals verständlicherweise beschränkt. Aber auch da kann die moderne Technik Abhilfe schaffen, etwa indem das Signal mit Hilfe des Mobilfunknetzes an ein oder mehrere (Mobil-)Telefone weitergeleitet wird. Das eine oder andere Fohlen ruft also schon an, bevor es geboren ist…

Adrenalinstoß? Von wegen!

Eine Sorge kann man den Pferdezüchtern nehmen – die, ihre Stuten seien während der Geburt großem Stress ausgesetzt. Ganz im Gegensatz zum Züchter ist die Stute nämlich während der Geburt völlig entspannt. Eine entsprechende Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien belegt das. Dafür überwachte ein Forschungsteam 17 Stuten des Brandenburgischen Staatsgestüts in Neustadt/Dosse während des Abfohlens mit Hilfe eines Elektrokardiogramms und untersuchte außerdem Stresshormone im Speichel und im Blut. Das Ergebnis: Die Herzfrequenz der Mütter nahm während der Geburt nicht zu, die Kreislaufbelastung war also gering, auch die Freisetzung von Stresshormonen blieb niedrig. Und der Kontakt mit dem Neugeborenen? Entspannung pur!

Drei Phasen

Warum dieser Aufwand betrieben wird? Ganz einfach, weil nur dann gewährleistet ist, dass bei entsprechenden Problemen auch schnell eingegriffen und geholfen werden kann. Denn so eine Pferdegeburt ist eine ziemlich fixe Angelegenheit, meist dauert sie eine bis drei Stunden, oft aber auch gerade mal 20 Minuten.

Unterschieden werden drei Phasen: Zunächst das Öffnungsstadium, bei dem das Fohlen quasi „in Position“ gebracht wird, das aber auch – etwa bei Beunruhigung der werdenden Mutter – unterbrochen werden kann. In dieser Phase entspannt sich die Muskulatur des inneren Muttermundes, wodurch sich der Geburtskanal öffnet, während gleichzeitig die Gebärmutter beginnt, sich zusammenzuziehen. Ohne Unterbrechung dauert dieser Abschnitt der Geburt meist nicht einmal eine Stunde.

Am Platzen der Fruchtblase erkennt man den Übergang in die zweite Phase, das Austreibungsstadium. Die meisten Stuten legen sich nun hin, die Kontraktionen der Muskulatur sind deutlich zu sehen. Das Fohlen wird in der Eihaut ausgetrieben. In normaler Stellung – man nennt das gestreckte obere Vorderendlage – passieren zunächst die nach unten zeigenden Vorderhufe den Geburtskanal, dann die Vorderbeine, auf denen der Kopf liegt. Taucht beispielsweise nur ein Bein auf und/oder dauert diese, durch starke Wehen gekennzeichnete Phase extrem lange – nach 40 Minuten sollte sie beendet sein –  ist das ein Fall für den Tierarzt!

Ansonsten gilt, auch wenn’s zuweilen schwerfällt, nicht einzugreifen: Die Stute macht das schon! Sie zerbeißt auch die zähe Eihülle und ermöglicht so ihrem Fohlen den ersten Atemzug. Tut sie das allerdings nicht und bedeckt die Haut Maul und Nüstern des Fohlens, heißt es, schnell sein. Diese Situation gehört zu den häufigsten Notfallszenarien rund um die Pferdegeburt – Erstickungsgefahr droht!

Auch die Nabelschnur sollte man möglichst nicht künstlich durchtrennen. Sie hat eine „Sollbruchstelle“ und reißt in der Regel, sobald die Stute aufsteht. Und noch etwas sollte der stolze Züchter der Pferdedame überlassen: die erste Massage des Fohlens. Dass die Stute ihr Fohlen leckt, regt nicht nur dessen Kreislauf an, sondern ist auch wichtig für die Mutter-Kind-Bindung. Und als Züchter hat man schließlich noch ein Pferdeleben Zeit, das gute Tier mit Stroh zu rubbeln.

Die dritte Phase der Geburt – etwa eine halbe bis zwei Stunden, nachdem das Fohlen auf der Welt ist – ist das Stadium der Nachgeburt, die vollständige Austreibung der Eihäute. Ist dies nach maximal etwa drei Stunden nicht geschehen, spricht man von Nachgeburtsverhalten – auch ein Fall für den Tierarzt. Die Nachgeburt muss außerdem unbedingt auf Vollständigkeit überprüft werden! Bleiben Reste in der Gebärmutter, kann dies zu schweren Gebärmuttererkrankungen oder Vergiftungen führen.

Köfferchen packen

Wie gesagt: In der Regel macht die Stute das schon! Zu Problemen kommt es nur in – je nach Definition –  vier bis sechs Prozent der Pferdegeburten. Einiges kann man aber auch dem besten Muttertier nicht überlassen, beispielsweise das im Laufe zumindest des ersten Lebenstages mehrfache Desinfizieren des Nabelstumpfes.

Desinfektionsspray gehört deshalb ebenso in den „Geburtskoffer“ wie Notfall-Nummern. Der Züchter sollte also im Vorfeld die Nummer der Klinik seiner Wahl oder des Tierarztes aufschreiben und sich nach dem Bereitschaftsdienst erkundigen.

Für den Fall, dass es doch einmal nötig sein sollte einzugreifen, sollten auch Einweghandschuhe und Stricke – etwa, um vorsichtig (!) ein Pferdebeinchen nach vorne zu holen – im Köfferchen liegen. Auch ein Klistier findet sicher noch Platz in der Notfallbox, manche Fohlen brauchen Hilfe beim Absatz des Darmpechs (siehe Vorsorgeschema).

 

Fohlenrosse

Dann stehen sie im Stroh, Stute und Fohlen, letzteres vielleicht noch auf wackeligen Beinchen. Da darf ruhig der Sektkorken knallen – allerdings nicht unbedingt vor der Abfohlbox, etwas Ruhe brauchen die beiden für Mutter-Kind-Bindung und zur Erholung.

Der Züchter kann sich inzwischen schon mal Gedanken über den nächsten Fohlenjahrgang machen. Denn längst ist Hengstschau-Saison. Ein potentieller nächster Partner für die frischgebackene Mutterstute ist möglicherweise schon ins Auge gefasst.

Die Geburt ist vollendet, Stute und Fohlen erholen sich. Nun beobachtet der Züchter, ob das Fohlen sich sicher auf seinen Beinen bewegt, den Kontakt zur Mutter sucht, regelmäßig trinkt, das Darmpech abgeht und das Fohlen Urin absetzt. Geschieht dies alles zum rechten Zeitpunkt (siehe Vorsorgeschema), dann kann er sich über ein gesundes Fohlen freuen.

Innerhalb der ersten Lebensstunde sollte das Fohlen stehen können und den Euterkontakt suchen. Fotos: Marc Rühl

Die ist schließlich schon etwa fünf bis zwölf Tage – der Schwerpunkt liegt bei acht bis elf Tagen – nach der Geburt wieder rossig, also paarungsbereit. Fohlenrosse nennt man die erste Rosse nach der Geburt. Zeitlich fällt sie oft mit Durchfallsymptomen beim Fohlen zusammen. Aber auch, wenn sich diese Meinung hartnäckig hält: Ursache dafür ist sie nicht. Der Durchfall des Fohlens hat weder mit Hormonschwankungen bei der Stute noch mit einer rossebedingten Veränderung der Zusammensetzung der Milch zu tun, sondern schlicht damit, dass sich in dieser Zeit die Mikroflora im Darm des Fohlens entwickelt – eine Phase der Anpassung, die eben zu Durchfall führen kann. Auch Fohlen, die mit der Flasche aufgezogen werden, leiden in diesem Alter an Durchfall.

Untersuchungen zufolge ist die Trächtigkeitsrate bei Nutzung dieser Rosse vermindert, trotzdem nutzen die Züchter sie – insbesondere dann, wenn sie ein recht spät im Jahr geborenes Fohlen haben. Das ist verständlich. Bei allen anderen sollte bedacht werden, dass Fohlen „ins Gras fallen“, also im Frühjahr und nicht schon im Winter geboren werden sollten. Und zwar im Interesse ihrer Gesundheit, weil sie dann schon von den ersten Tagen an Weidegang genießen können und nicht witterungsbedingt auf der Stallgasse hin und her tippeln müssen. Dass ausreichend Bewegung nicht zuletzt in Sachen Gelenk-erkrankungen wie „Chips“ eine entscheidende Rolle spielt, ist längst bekannt. Dagegen darf doch der starke Auftritt eines schon weit entwickelten Youngsters bei der Fohlenschau keine Rolle spielen. Mal ganz abgesehen davon, dass der Markt diesen Erkenntnissen längst Rechnung trägt –  viele Fohlenkäufer sind an dem sehr früh im Jahr geborenen Pferdenachwuchs nicht mehr interessiert.

Dr. Michaela Weber-Herrmann

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