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Rund um die Pferdegeburt – Teil I: die letzte Phase der Trächtigkeit

Fressen für Zwei!?

Für Pferdezüchter beginnt jetzt eine spannende Phase: In den nächsten Wochen werden die meisten Fohlen des Jahrgangs 2017 geboren. Zeit, die Weichen zu stellen.

Die letzte Phase der Trächtigkeit hat begonnen. Die Zuchtstute des Hauptgestüts Neustadt/Dosse döst entspannt auf ihrem Paddock. Foto: Frank Sorge

Heu kontrollieren

Gerade das Futter werdender Mütter muss hohen Qualitätsstandards genügen. Um diesen gerecht zu werden, sollte der Züchter wissen, was in welcher Konzentration worin enthalten ist. Leider sieht man das dem Heu nicht an. Wer eigenes Heu macht – und in vielen Zuchtbetrieben ist das der Fall – sollte dieses insbesondere auf Spurenelemente wie Selen, Kupfer und Zink untersuchen lassen. Eine derartige Analyse muss übrigens nicht jährlich wiederholt werden, in der Regel bleiben die Gehalte – sofern nicht drastische Änderungen in der Bewirtschaftung des Grünlands erfolgen – über Jahre ähnlich.

Über Rau- und Kraftfutter hinaus brauchen Zuchtstuten in den letzten Monaten ihrer Trächtigkeit eine ausgewogene und ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen. Foto: Frank Sorge

Vielleicht vergessen sie ihren Hochzeitstag, möglicherweise auch den Geburtstag der Tante, aber eines haben Pferdezüchter fest im Blick: den errechneten Geburtstermin ihrer Fohlen. Dabei machen es ihnen die Stuten oft gar nicht so einfach. Sicher, die durchschnittliche Trächtigkeitsdauer liegt bei 336 Tagen, also rund elf Monaten. Die Rechnung ist also simpel: Termin der letzten Bedeckung plus elf Monate = Abfohltermin.

Nur leider halten sich die Stuten oft nicht daran. Wie heißt es so treffend in Goethes Faust? „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie…“ In puncto Geburtszeitpunkt des Fohlens stimmt das ganz sicher, denn eine Trächtigkeitsdauer von 320 Tagen gilt beim Pferd ebenso als „normal“ wie eine solche von 360 Tagen. Da nützt die korrekteste Rechnung nichts: Es gilt, die Stute genau im Auge zu behalten und im Zweifel nicht nervös zu werden.

 

Mit Augenmaß

Doch noch ist es in den meisten Ställen längst nicht so weit, noch runden sich die Bäuche der Pferdedamen. Aber während man in den ersten etwa sieben Monaten einer komplikationslos verlaufenden Trächtigkeit nichts Besonderes beachten muss – eine Trächtigkeit ist schließlich keine Krankheit – stellt die tragende Stute jetzt besondere Ansprüche. Unter anderem in Sachen Fütterung. Es genügt nicht, einfach mehr vom gewohnten Futter zu verabreichen, etwa ab dem achten Trächtigkeitsmonat ist es mit der „normalen“ Ration nicht mehr getan.

Denn im letzten Trächtigkeitsdrittel macht das Fohlen einen gewaltigen Entwicklungsschub, was jetzt versäumt wird, ist möglicherweise nie wieder aufzuholen. Bis zum Ende der Trächtigkeit steigt der Energiebedarf der Stute auf etwa das Anderthalbfache an. Allein durch die Aufnahme von Heu ist er oft nicht zu decken. Denn je nach Qualität des Heus müsste eine Stute davon bis zu etwa 14 Kilogramm – bei Heu eines späten ersten Schnitts, bei sehr nahrhaftem Heu dagegen entsprechend weniger – aufnehmen, um ihren Energiebedarf zu decken. Realistisch ist das kaum, Kraftfutter ist also gefragt. Wieviel davon in die Krippe der Stute gehört, hängt zum einen von der Qualität des Raufutters ab, zum anderen davon, ob die Stute eher leicht- oder eher schwerfuttrig ist. Eine Rationsberechnung kann natürlich helfen, letztendlich aber ist der Ernährungszustand der Stute entscheidend, und da gibt es nun mal bei vergleichbaren Futtermengen durchaus große individuelle Unterschiede.

In den letzten Wochen der Trächtigkeit ist die bedarfsgerechte Fütterung zunehmend schwierig. Natürlich sollte der Energiebedarf der Stute gedeckt werden. Doch zum einen soll nicht so viel Grundfutter gegeben werden, dass der Darm der Stute extrem gefüllt ist und die Geburt des Fohlens dadurch erschwert wird. Andererseits soll nicht zu viel Kraftfutter in die Krippe gekippt werden, weil dadurch das Kolikrisiko steigt. Futtermittel der Wahl ist deshalb sehr nahrhaftes Heu, zum Beispiel ein früher erster Schnitt oder Luzerneheu.

Dieser zugegebenermaßen nicht einfache Balanceakt gelingt in der Praxis nicht immer, viele Stuten sind in den letzten Wochen der Trächtigkeit eher etwas unterversorgt. Ein Grund zur Panik ist das allerdings nicht, auch die Geburt eines unterent-wickelten, lebensschwachen Fohlens ist nicht zu befürchten, denn in aller Regel können Stuten auf körpereigene Reserven zurückgreifen.

Das heißt natürlich nicht, dass eine Stute vor der Geburt getrost hungern kann. Gerade wenn der Energiebedarf nicht vollständig gedeckt werden kann, ist meist auch die Versorgung mit Eiweiß knapp. Spezielles Zuchtstutenfutter kann da Abhilfe schaffen, weil es in der Regel einen höheren Eiweißgehalt hat, als beispielsweise Hafer.

Kaum kann sich das Fohlen auf den Beinen halten, sollte es die für die Entwicklung so wichtige Biestmilch (Kolostralmilch oder Kolostrum) aufnehmen, um das Immunsystem zu stärken. Foto: Frank Sorge

Biestmilch – eine Frage der Keime

Die erste Milch, die sogenannte Kolostralmilch oder Kolostrum, ist mitentscheidend für die Gesundheit des Fohlens. Mit ihr werden Immunglobuline zum Schutz vor Infektionen von der Stute aufs Fohlen übertragen. Während der Trächtigkeit findet eine solche Übertragung von Antikörpern der Stute auf ihr Fohlen kaum statt, da die Gebärmutterschranke für Immunglobuline kaum durchlässig ist. Fohlen werden also nicht mit ausreichendem Immunschutz geboren, sondern sind auf die Aufnahme der Immunglobuline über das Kolostrum angewiesen. Gleichzeitig dient die Biestmilch als Energielieferant fürs Fohlen, außerdem wird ihr eine leicht abführende Wirkung zur Lösung des Darmpechs, des Mekoniums, zugeschrieben. Um stallspezifische Antikörper bilden zu können, die das Fohlen auch wirksam schützen können, muss die Mutterstute rechtzeitig umgestellt werden. Empfehlenswert ist ein Bezug der Abfohlbox rund sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin.

Genau hingeschaut

Auch die Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen ist bei einer nur aus Heu und Hafer bestehenden Ration meist nicht ideal. Natrium ist in der Regel bei Anbieten eines Lecksteins abgedeckt, Calcium beispielsweise kann fehlen, Phosphor in der Regel immer dann, wenn die Wiesen über einen längeren Zeitraum nicht entsprechend gedüngt wurden. Beide Mineralstoffe sind für die Skelettentwicklung wichtig. Ein Zusammenhang zwischen der Durchtrittigkeit von Fohlen und Phosphormangel wird zumindest diskutiert.

Von Bedeutung in Sachen Fohlengesundheit ist auch das Spurenelement Selen. Wenn Zuchtstuten über einen langen Zeitraum an Selenmangel leiden – die Selengehalte der Böden und somit der Futterpflanzen in Süddeutschland sind im allgemeinen niedriger als im Norden –, kann dies beim Fohlen zu massiven Beeinträchtigungen führen. Ein geringer Selenmangel bei Neugeborenen kann das Immunsystem schwächen, das Fohlen also anfälliger für Infektionskrankheiten machen und zu verzögertem Wachstum führen. Hochgradiger Selenmangel verursacht Muskelschäden, die zum Tode führen können, wobei sowohl die Skelett- als auch die Herzmuskulatur betroffen sein kann. Da die geschädigte Muskulatur gestorbener Fohlen meist weiß erscheint, spricht man von „white muscle disease“. Aber auch eine Überversorgung der Stute mit Selen ist schädlich. In der Literatur findet man unterschiedliche Angaben zum Bedarf – das Spektrum reicht von 0,1 bis 0,2 mg pro kg Futtertrockenmasse. Ab 0,2 mg können Vergiftungen auftreten. Da die handelsüblichen Mineralfutter sehr unterschiedliche Selengehalte haben, empfiehlt sich ein Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe.

Kupfermangel

Auch Kupfermangel wird mit Entwicklungsstörungen bei Fohlen in Verbindung gebracht. Unter anderem Stellungsanomalien wie Sehnenstelzfüße und Durchtrittigkeit, aber auch Osteochondrose – eine Wachstumsstörung, die sich in der Entstehung sogenannter „Chips“ im Gelenk äußern kann – können die Folge von Kupfermangel sein. Mindestens 25mg pro Kilogramm Trockenmasse des Futters Kupfergehalt werden in der Hochträchtigkeit empfohlen. Da der Gehalt in Heu und Hafer in der Regel deutlich geringer ist, muss auf einen entsprechend höheren Gehalt im Mineralfutter geachtet werden. Zink dagegen ist zwar aufgrund seiner Wichtigkeit für das Immunsystem des Fohlens für die Qualität der Biestmilch von Bedeutung, allerdings sind Mangelerscheinungen auch dann nicht zu erwarten, wenn der Zink-Gehalt im Futter unterhalb der empfohlenen Grenze liegt.

Aber nicht zuletzt Vitamine, insbesondere Vitamin A und E, sollten bei einer Heu-Hafer-Ration ergänzt werden. Ein Mangel an Vitamin E kann einen Selen-Mangel noch verstärken, während Vitamin A vor allem für die Biestmilch und somit den Immunschutz des Fohlens von Bedeutung ist.

 

Nicht am falschen Ende sparen

Es sollte selbstverständlich sein, ist es aber leider nicht: Während bei der Fütterung von Reitpferden vor allem in Pensionsbetrieben schon der oft anspruchsvollen Kundschaft wegen meist in Sachen Futtermittelhygiene keine Kompromisse gemacht werden, ist dies im Zuchtstall nicht zwangsläufig genauso.

Schimmel auszulesen und restliche Ballen von Heu und Silage verfüttern, ist eine kurzsichtige Sparmaßnahme, die sich auf Dauer aufgrund der gesundheitlichen Belastung von Stute und Fohlen nicht rechnet. Ebenso selbstverständlich: Heu und Kraftfutter auf mehrere – mindestens drei – Portionen verteilen, damit längere Hungerperioden vermieden werden. Und natürlich muss auch die tragende Stute ständig Zugang zu Wasser haben – auch jetzt in der kalten Jahreszeit. Gegebenenfalls sollten im Zuchtstall beheizbare Selbsttränken nachgerüstet werden.

Von Stuten und Hühnern

Eine Alternative zu speziellem Zuchtstutenfutter können Proteinergänzungen wie Sojaextraktionsschrot sein. Dagegen können eiweißreiche Futtermittel, die für andere Tierarten ausgewiesen sind – etwa Futter für Geflügel – für Pferde extrem schädlich sein. Pferde können nicht fliegen!

Mangelernährung mit zu wenigen Mineralstoffen kann Durchtrittigkeit beim Fohlen auslösen. Foto: Arnd Bronkhorst

Frühzeitig umziehen

Wenn der Züchter die Fütterung seiner hochträchtigen Stute optimiert hat, die werdende Mutter also bei bester Ernährung rund und runder wird, gilt es, den „Kreißsaal“ herzurichten. Dass der größer sein muss als die Box fürs Einzeltier, versteht sich von selbst, Stute und Fohlen brauchen schließlich mehr Platz als die Stute allein. Und dass so eine „Mutter-Kind-Box“ auch hygienischen Standards entsprechen muss, ist eigentlich auch selbstverständlich. Also: Box ausräumen, säubern, desinfizieren und frisch einstreuen! Und mit dem Umzug der Stute nicht warten, bis die Geburt unmittelbar bevorsteht. Zum einen um unnötigen Stress fürs Muttertier zu vermeiden, zum anderen muss die Stute sich an das Keimmilieu anpassen können – nur dann kann davon ausgegangen werden, dass  die Zusammensetzung der Biestmilch fürs Fohlen ideal ist.

Überwachungstechnik

Und noch etwas sollten Züchter jetzt tun: die Technik installieren. Es gibt eine ganze Reihe Hilfsmittel, die die Geburtsüberwachung erleichtern. Denn wer kann schon tagelang auf der Stallgasse vor der Abfohlbox
Wache halten? Zumal Stuten ja gerne auch mal bei der Geburt unbeaufsichtigt sind – und das auch prima steuern können… Wie auch immer man sich entscheidet – für die längst schon als „normal“ geltende Überwachung per Videokamera, die per akustischem Signal die Geburt anküdigt, wenn die Stute sich legt. Oder für eine Kombination aus Liegen und Schweißausbruch zu Beginn der Wehen, vermittelt über einen Gurt. Oder über ein Signal, das mit Hilfe von Magneten übermittelt wird, die in die Scheide eingenäht werde und die indirekt alarmieren, wenn der Geburtskanal sich weitet – und ganz gleich, ob man sich dafür entscheiden, sich selbst via Kamera ein Bild vom Geschehen zu verschaffen oder sich per Handy alarmieren zu lassen – das „Abenteuer Fohlengeburt“ sollte frühzeitig angepackt werden. Der Züchter und vor allem seine Stute müssen sich daran gewöhnen. Nicht zuletzt an die Fehlalarme…

Übrigens: Falls die Zuchtstute beschlagen ist, sollten auch rechtzeitig die Eisen abgenommen werden, um die Verletzungsgefahr für das Fohlen zu minimieren. Man weiß es ja: Zwischen 320 und 360 Tagen ist alles drin.

Dr. Michaela Weber-Herrmann

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