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Persönlichkeiten der Pferdeszene: Margit Otto-Crépin

Madame und der Holsteiner

Verwurzelt ist Margit Otto-Crépin in Frankreich, aber ihr Herz findet man in Norddeutschland. Denn der Holsteiner Corlandus trug sie bis an die Dressurweltspitze – und lehrte sie, kompromissbereit und offen zu sein. Bis heute steigt die 71-Jährige voller Neugier in den Sattel.
Margit Otto-Crépin und ihr fünfjähriger Hengst Balthazar de Fougnard v. Diamant de Semilly. Fotos: J. Toffi
Irgendwann im Leben kommt der Zeitpunkt, ab dem einem das kleine Wörtchen „noch“ regelmäßig begegnet. Margit Otto-Crépin hört es für gewöhnlich verpackt in einer Frage mit erstauntem Unterton: Sie reiten noch? Ja! Tut sie! Drei Pferde täglich. Ihre zwei routinierten Dressurpferde und einen fünf Jahre jungen Springhengst. Die Begeisterung, mit der die Olympiareiterin der 80er-Jahre von ihren Pferden spricht, ist ansteckend. Und seit Jahrzehnten ungebrochen. Während sie redet, ist ihr Blick unverwandt auf ihr Gegenüber gerichtet. Besonders auffallend: ihre stechend hellblauen Augen. Sie strahlen und kleine Lachfältchen zeugen von der positiven Einstellung der grazilen Dame, ihrem Humor. Den bringt Margit Otto-Crépin jeden Tag mit auf die Stallgasse des Holsteiner Verbandes, der ihre Pferde beherbergt. Denn auch wenn die gebürtige Deutsche ihr Leben lang in Frankreich wohnte und im Dressurviereck die französischen Farben vertrat, hat sie zu Holstein und dem Verband in Elmshorn eine besondere Verbindung.

1,80 Meter Holstein

Die begann mit dem Kauf von Corlandus, dem stattlichen, 1,80 Meter großen Holsteiner Wallach, mit dem Margit Otto-Crépin die wichtigsten Erfolge ihrer Dressurkarriere feierte, obwohl man ihn mit seiner Abstammung eher im Parcours vermutet hätte: Sein Vater war Holsteins Linienbegründer Cor de la Bryère, über seine Mutter trug er das Blut des Landgraf I-Ladykiller in sich.
Für die Dressur­kenner war er der Inbegriff des perfekten Dressur­pferdes: Der Holsteiner Corlandus gewann mit Margit Otto-Crépin unter anderem olympisches Silber 1988 in Seoul.
Für die Dressur­kenner war er der Inbegriff des perfekten Dressur­pferdes: Der Holsteiner Corlandus gewann mit Margit Otto-Crépin unter anderem olympisches Silber 1988 in Seoul.
Corlandus brachte den Wendepunkt in ihrer reiterlichen Laufbahn, erzählt Margit Otto-Crépin in perfektem Deutsch, versehen mit der vornehmen Attitüde des Französischen. Als er 1981 in ihr Leben trat, mischte die damals 35-Jährige schon im internationalen Dressursport mit. Den Weg dorthin hatte sie auf ganz unkonventionelle Art gefunden. In Saarbrücken geboren, wuchs sie in einer Familie auf, die mit Pferden nichts zu tun hatte. Als sie acht Jahre alt war, schlug ihr Vater vor, dass sie und ihr fünf Jahre älterer Bruder eine Sportart ihrer Wahl betreiben sollten. Der Bruder entschied sich für Tennis, die kleine Margit musste nicht lange überlegen. „Pferde waren schon damals meine Passion“, betont sie. „Im Französischen gibt es dafür eine nettes doppeldeutiges Wort. ,dada‘ benutzt man für etwas, wofür man eine Vorliebe, eine Passion hat. Es ist aber zugleich in kindlicher Sprache auch ein Ausdruck für Pferd. Pferde waren meine ,da da‘– im wahrsten Sinne.“ In der Reitschule Saarbrücken begann sie zu reiten und musste einmal pro Woche auch voltigieren, um am Abteilungsunterricht teilnehmen zu können. Mit 17 Jahren reiste Margit Otto als Austauschschülerin für ein Jahr in die USA und absolvierte dort den amerikanischen Highschool-Abschluss. Danach zog sie nach Paris, um an der Universität Sorbonne das französische Sprachdiplom zu erwerben. Ihr Plan war, Übersetzerin bei der UNESCO zu werden. Die Reiterei war aus Zeitmangel komplett in den Hintergrund gerückt. Später beherrschte die Modebranche ihr Leben. Das Entwerfen, Herstellen und Verkaufen von Herrenhemden, Damen- und Jeans-Kollektionen ließen keine Zeit für andere Aktivitäten.
Die in Saarbrücken geborene Deutsche Margit Otto-Crépin lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Frankreich und hatte mit ihrer Hochzeit auch die französische Staatsangehörigkeit angenommen.

Deutsche Top-Trainer

Mit 25 lernte sie ihren späteren Mann kennen: Daniel Crépin, der auch in der Modebranche tätig war und zwei Söhne mit in die Ehe brachte. Der Franzose war ein Pferdenarr, der beruflich bedingt nur zum Vergnügen reiten konnte. Seine Söhne ritten neben dem Studium Military und nahmen an Turnieren teil. So kam Margit Otto-Crépin wieder zum Pferd und in den Sattel. Allerdings widmete sie sich der Dressur. Sie übernahm ein Militarypferd ihres Stiefsohnes: Caprici, einen eleganten Selle Français-Wallach. Mit ihm wurde sie 1980 zum ersten Mal Französische Meisterin. Ein Jahr später verteidigte sie ihren Titel. Ihr Training fand sowohl in Frankreich als auch in Deutschland statt. Col de Ladoucette und Patrick Le Rolland sowie Herbert Rehbein, Udo Lange und Uwe Schulten-Baumer gehörten zu ihren Mentoren, später kamen Fritz Tempelmann und dessen Schüler Norbert van Laak hinzu. Sie nahm an Lehrgängen des Cadre Noir teil und sie war die erste Frau, die mit den Ecuyers des Staatsgestüts eine Vorstellung an der Porte de Versaille während eines internationalen Turniers ritt.

Ein Gummiball

1981 war Margit Otto-Crépin mit Caprici in Donaueschingen am Start. Dort sah sie das erste Mal Corlandus. „Besser gesagt, ich hörte ihn“, wirft sie lachend ein, „patabum, patabum. Und dann kam da dieses imposante Pferd um die Ecke mit diesen außergewöhnlichen Bewegungen, ach…“ Noch heute gerät die Dame angesichts ihres ehemaligen Spitzenpferdes ins Schwärmen. „Er trug ein Stirnband in blau, weiß, rot – die Farben des Holsteiner Verbandes, aber auch die Frankreichs. Ein Zeichen.“ Doch der Braune, der damals unter Peter Mohr ging, stand nicht zum Verkauf. Erst zwei Jahre später sollten Margit Otto-Crépins Bemühungen um ihn Erfolg haben. Sie fuhr 1983 zum Holsteiner Verband. Der Wallach war sieben Jahre alt, M/S-ausgebildet. Der Deal war perfekt.
„Mit Corlandus hat sich alles verändert“, beschreibt sie. „Alles drehte sich um ihn.“ Was ihn ausgemacht habe, waren seine Persönlichkeit und sein Übermut. „Unterm Sattel war er wie ein Gummiball. Da war alles locker, nichts schien seinem Körper ein Problem zu bereiten. Er war auch immer gut für Spezialeffekte. Er bockte die halbe Diagonale lang und absolvierte dann Einerwechsel bis zur kurzen Seite.
Seine Gangarten waren mit so viel Schwung, Raumgriff und Ausdruck versehen, das machte seine Qualität aus. Es war jedoch nicht immer leicht für mich, ihm zu folgen. Ich hatte einen Sattel mit Sitzfläche Größe 18 – relativ groß für meine Statur, aber dadurch konnte ich ihn gut in der Bewegung begleiten. Das habe ich immer für mich beibehalten. Eine kurze Sitzfläche ist bis heute nichts für mich.“ Zierlich wie sie war, arrangierte sie sich mit dem willensstarken, stolzen Wallach, sowohl bewegungstechnisch als auch charakterlich. Sie bildete ihn mithilfe von Fritz Tempelmann und Norbert van Laak aus. Während Margit Otto-Crépin mit Caprici bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984 am Start war, sollte Corlandus ein Jahr später in seiner ersten Grand Prix-Saison auch sein Championatsdebüt haben: die Europa­meisterschaft in Kopenhagen. Das Paar landete unter den Top 20. Nur zwei Jahre später wurde aus der Platzierung die Einzelgoldmedaille – der erste EM-Titel für Frankreich. Ihren größten Auftritt hatten Corlandus und Margit Otto-Crépin schließlich 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul. Sie reisten als Favoriten an. Die stärkste Konkurrentin: Nicole Uphoff mit Rembrandt. Im Grand Prix lagen beide Paare noch dicht beieinander. Im Special hatte dann Rembrandt die Nase vorn. Silber für Corlandus. Margit Otto-Crépin erinnert sich: „Als ich im Dressurviereck war, warf die Sonne lange Schatten – besonders der Farn auf den Buchstaben, der im Wind wehte. Davon ließ sich Corlandus beeindrucken, in den Piaffen hatte er eine deutliche Rückwärtstendenz. Bei Nicole waren die Schatten weg.“ Was wäre gewesen, wenn…? Damit beschäftigt sie sich nicht. „Das ist der Sport.“

1996 Karriereende

Ein Jahr später gewann das Paar EM-Silber. Seine fünfte und letzte Championatsmedaille sicherte sich Corlandus 1991 bei der EM in Donaueschingen. Margit Otto-Crépin trat 1996 zum letzten Mal auf das Parkett der Weltspitze, im Sattel von Lucky Lord bei den Olympischen Spielen in Atlanta. Mit dem Team wurde sie Vierte. Außerdem bestritt sie viele internationale Turniere unter anderem mit den Holsteiner Verbands­hengsten Loutano und Lebus sowie ihren Grand Prix-Pferden Corlino, Whitney und Tornado. Sie unterstützte zwölf Jahre lang den International Dressage Riders Club (IDRC) im Amt der Präsidentin, war zwischen 1989 und 2011 dreimal Mitglied des FEI Dressage Committees, Vize-Präsidentin des UEAA, Mitglied des Athlete Committees und des Medical Committees und der FEI List Advisory Group. Das Cadre Noir hat die erfolgreichste Dressurreiterin Frankreichs für ihre besonderen Verdienste um den Sport geehrt und sie zum „Écuyer d’Honneur“ ernannt.
Natürlich auch ein Holsteiner: der 14-jährige Livanto v. Lorentin.
Von ihrem Zweitwohnsitz Hamburg (Paris ist noch immer die Hauptadresse) fährt Margit Otto-Crépin täglich zum Holsteiner Verband nach Elmshorn, wo ihre Pferde untergebracht sind.
Margit Otto-Crépin ist die erste und einzige Frau, der die schwarz-goldene Gerte überreicht wurde. Noch heute ist sie ganz gerührt darüber und stolz auf die Auszeichnung, die außer ihr nur Michel Robert und George Morris zuteil wurde. Sie ist eine große Ehre für sie. „Ich bin kein Mensch, der in der Vergangenheit lebt. Ich weiß nicht, wie viele Prüfungen ich gewonnen habe und ich messe dem keine Wichtigkeit bei. Schöne und bedeutungsvolle Erinnerungen bleiben für mich alle Prüfungen, egal auf welchem Pferd und Niveau, bei denen ich ein besonders gutes Gefühle hatte – so wie mein erster Grand Prix-Sieg an meinem Geburtstag, in Bremen, vor Reiner Klimke.“ Ihren Hauptwohnsitz hat sie nach wie vor in Paris, aber 2005 ist sie mit ihren Pferden nach Hamburg gezogen. „Für die Deutschen bin ich die Französin, für die Franzosen die Deutsche“, beschreibt sie. „Für mich ist das ok. Ich war mein Leben lang unterwegs und fühle mich überall da zu Hause, wo ich mich wohlfühle. Ich habe den französischen Pass und die französische Nationalität … und das ist gut so!“ Von Hamburg aus fährt sie täglich zu ihren Pferden, den Kofferraum vollbeladen mit Bananen und Äpfeln, das Dessert der Pferde nach getaner Arbeit.
Ihr Mobiltelefon bleibt dagegen im Auto, denn: „Die Zeit im Stall gehört meinen Pferden. Da lasse ich mich nicht ablenken.“ Zur Unterstützung hat sie Pflegerin Nathalie Kock. Immer noch, muss man sagen. Seit sage und schreibe 30 Jahren kümmert sie sich um Otto-Crépins Pferde. Das ist Rekord… fast. Nur Ludger Beerbaums Pflegerin Marie überholt sie um ein paar Monate, weiß sie selbst zu berichten. Über das Obst freuen sich der 15-jährige Calimero v. Caretino und der 14-jährige Lorentin-Sohn Livanto. „Er stand in Corlandus’ ehemaliger Box, als ich ihn das erste Mal gesehen habe.“

Star mit Springgenen

Der dritte im Bunde ist ein Neuzugang und gleichzeitig der kleine Star: Balthazar de Fougnard, ein fünfjähriger Springhengst mit einem Pedi­gree, das aufhorchen lässt. Sein Vater ist Diamant de Semilly. In der Mutterlinie finden sich Quidam de Revel und Quick Star. Margit Otto-Crépin mag ihn sehr: „Er ist sehr respektvoll und eines der intelligentesten Pferde, das ich je arbeiten durfte. Er geht morgens als erster, so nehme ich dann das Gefühl, das er mir vermittelt, mit auf die anderen beiden.“ Balthazars Geburtstag ist der 18. April, genau wie bei Corlandus und Loutano. Ein Zeichen? Auch Fotograf Jacques Toffi feiert am 18. April seinen Ehrentag. Margit Otto-Crépin lacht herzlich, als sie das hört. „Das ist wohl auch ein Zeichen.“ Sie hat sich auf Toffis Wunsch für den Fototermin ganz in schwarz gekleidet, stellvertretend für das Cadre Noir, lediglich ein Tuch von Hèrmes bringt Farbe ins Spiel. Mit dem Luxuslabel hat sie gemeinsam einen Dressursattel entworfen. Er trägt den Namen „Corlandus“. „Ich weiß nicht, ob ich so ein gutes Mannequin abgebe“, sagt sie zurückhaltend. Sie sorgt sich ohne Grund, Jacques Toffi ist zufrieden.

Joggen an der Elbe

Auf Margit Otto-Crépins schwarzer Weste liegt leichter Staub aus dem Stall, man sieht Spuren der Pferde, die nach Leckerli gesucht haben. Wer die elegante, perfekt gestylte Dame in einem herrschaftlichen Anwesen mit goldenen Boxengittern erwartet, schätzt sie falsch ein. „Beim Holsteiner Verband habe ich Pferdeleute um mich herum, junge ambitionierte Reiter, wahre Sportler.“

Größte Erfolge

Olympische Spiele Seoul 1988: Einzelsilber Europameisterschaften: Goodwood 1987: Einzelgold Mondorf 1989: Einzelsilber, Teambronze Donaueschingen 1991: Einzelbronze Sieg im Weltcupfinale Göteborg (1989) Sieg beim CHIO Aachen (1987, 1989) Französische Meisterin: 1980, 1981, 1988, 1989
Um in Form zu bleiben, geht sie regelmäßig ins Fitnessstudio oder an der Elbe entlang joggen, und um den Pferden gerecht zu werden, ist sie offen für alles, was mit korrekter und pferdegerechter Ausbildung zu tun hat. „Ich habe immer das gemacht, was man mir beigebracht hat, ohne nachzufragen. Jetzt habe ich die Möglichkeit und auch die Zeit, mich mit den Dingen en Detail auseinanderzusetzen. Ich stelle nicht infrage, aber ich hinterfrage. Ich muss und kann noch so viel lernen! Es ist eine sehr spannende Zeit für mich.“ Laura Becker

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