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Serie: Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm, Teil 4

Junge Reiter, alte Pferde – alte Reiter, junge Pferde?

Irgendwann einmal hat ein (vermutlich) wichtiger Horseman den Spruch „Junger Reiter auf altes Pferd, alter Reiter auf junges Pferd” geprägt. Wem dieser so bedeutsame Satz zugeordnet werden kann, lässt sich nicht mehr mit Gewissheit sagen. Die Frage ist: Gilt er heute überhaupt noch? Und wenn ja, warum eigentlich? Dr. Britta Schöffmann geht dem Thema auf den Grund.

Mit Luftsprüngen und Temperamentsausbrüchen des jungen Pferdes sind unerfahrene Reiter häufig überfordert. Die routinierte Reiterin auf diesem Foto behält die Kontrolle.

Vier Geschichten, irgendwo in Deutschland. Eine 45-jährige Freizeitreiterin mit Dressurambitionen hat ihr altes Pferd in Rente entlassen. Ein neues Pferd muss her, diesmal ein junges. Das Resultat: Sturz vom Pferd, Genickbruch. Glück im Unglück: Die Halswirbel verschieben sich nicht, das Rückenmark bleibt unverletzt, kein Querschnitt. Anderer Stall, anderer Fall, ähnlicher Verlauf: Auch hier geht das alte, brave Pferd, das beim Kauf schon 13 Jahre alt war, in Rente. Ein neues wird erworben. Dreijährig, hochbeinig, groß. Die Reiterin selbst ist eher klein, rundlich, Mitte 30, reiterlich wenig erfahren. Das Resultat: Sturz vom Pferd, Tritt ins Gesicht, doppelter Kieferbruch. Glück im Unglück: Keine sichtbaren Verletzungen, keine Schädelfrakturen.

Der Nächste bitte: Die Siebenjährige hat gerade ihren ersten Reiterwettbewerb auf einem Schulpferd gewonnen. Schon wird was Eigenes gekauft, ein dreijähriges Sportpony, gerade angeritten. Zwei Wochen später hat die kleine Reiterin nur noch eines: Angst, denn sie kann ihr Schimmelchen weder sicher bremsen noch lenken. Schlimmer trifft es eine Reiterin, Anfang 60, seit 40 Jahren freizeitlich im Sattel aktiv – allerdings bis dato nie auf einem jungen Pferd. Das Resultat: Sturz, Trümmerbruch zweier Lendenwirbel. Glück im Unglück: Kein Querschnitt.

„Unverdorben“

Fälle wie diese passieren immer wieder. Und trotzdem träumen immer mehr unerfahrene Menschen davon, sich oder ihren reitenden Kindern ein junges Pferd zu kaufen. Unverdorben soll es sein, keine schlechten Erfahrungen mit groben Reitern gemacht haben, noch formbar sein. Und überhaupt: Man will zusammen lernen, sich gemeinsam entwickeln. Eine schöne Idee. Zugegeben – wenn dieser Traum funktioniert wie geplant, dann ist das tatsächlich ein tolles Gefühl, und manchmal klappt es auch. Die Realität sieht im Allgemeinen anders aus. Zwar endet sie nicht immer gleich im Krankenhaus, doch oft wird aus dem Traum trotzdem ein Alptraum oder zumindest frustrierender Alltag. Das junge Pferd will einfach nicht verstehen, was sein Reiter will. Es geht nicht am Zügel, tritt nicht durchs Genick, widersetzt sich, klebt an anderen, lässt sich kaum abwenden, verweigert die kleinsten Hindernisse, wird unberechenbar, bockt oder steigt oder wird faul und träge.

„Fehlkauf“, „unreitbar“, „schwieriges Pferd“ – die Erklärungen für den geplatzten Traum sind schnell gefunden, selten folgt die Erkenntnis des Mangels eigener Fachlichkeit als Ursache des Problems. Dabei vergessen diese (und auch viele andere) Reiter meist zu gerne, dass ein Pferd immer nur das Spiegelbild seines Menschen ist. Und genau hierauf zielt der alte Spruch vom jungen Pferd und alten Reiter und vom alten Pferd und jungen Reiter. „Jung“ und „alt“ bezieht sich dabei nicht auf das Lebensalter des Menschen, sondern auf seine reiterliche Erfahrung und sein reiterliches Können. So ist es durchaus möglich, dass eine 14-jährige, talentierte und bereits sehr sicher einwirkende Reiterin mit einem drei- oder vierjährigen Pferd gut klar kommt. Bei entsprechender Förderung durch einen guten Ausbilder, der gegebenenfalls auch mal vom Sattel aus aushelfen kann, ist gegen eine derartige Pferd-Reiter-Kombination nichts einzuwenden. Wäre besagte 14-Jährige allerdings Anfängerin, wären sie und auch ihr Pferd mit der Situation überfordert und Probleme vorprogrammiert. Das Gleiche gilt, wenn die Anfängerin oder der Anfänger 30 oder 40 Jahre alt wäre. Oder wenn der (Freizeit)Reiter zwar schon Jahre im Sattel verbracht hat, aber keinerlei Erfahrungen mit jungen Pferden mitbringt und glaubt, ein Youngster wird schon so ähnlich funktionieren wie ein älteres, erfahrenes Pferd.

Bei den Reitponyprüfungen auf den DKB-Bundeschampionaten sitzen häufig erwachsene Ausbilder im Sattel, wie hier Jana Freund, die schon zahlreiche Ponys zum Sieg geführt hat. Hier stellt sie FS Mr. Right vor.

Falsche Hilfengebung

Nirgendwo anders käme jemand auf die Idee, dass zwei Schüler (in diesem Fall das Pferd und der Reiter), die selbst nichts oder wenig können, sich gegenseitig trotzdem höhere Mathematik oder Fremdsprachen beibringen sollen. Und niemand käme vermutlich auf die Idee, einen Führerscheinneuling gleich einen Formel-I-Boliden fahren zu lassen oder einem anderen Anfänger das Fahren beibringen zu wollen. Im Reitsport scheint das anders. Vermutlich liegt es daran, dass Anfänger und unerfahrene Reiter glauben, dass, wenn sie ab und zu Unterricht nehmen, sie vom Reitlehrer schon hören, was sie tun müssen – und dass ihr Pferd dies dann auch versteht und umsetzt. Sie machen sich dabei keine Gedanken darüber, dass alles, was sie im Sattel tun, und sei es nur unruhig und unausbalanciert zu sitzen, bereits eine Einwirkung ist, durch die das Pferd lernt, egal was. Ist die Einwirkung falsch, reagiert das Pferd darauf – entweder mit Ignorieren, mit Irritation oder mit Widersetzlichkeit. Und hier sind natürlich vor allem junge Pferde, die die „Sprache“ des Menschen, also die reiterliche Einwirkung und den Zusammenhang zu den darauf folgenden gewünschten Reaktionen noch nicht erlernt haben, leicht zu verunsichern. Ein unsicherer Reiter und ein verunsichertes Pferd? Keine gute Kombination!

Reiten ist eine derart komplexe Sportart bzw. Beschäftigung, dass es tatsächlich Jahre dauert, sie in Ansätzen zu erlernen. Ein ausbalancierter Sitz als Grundlage für zielführende Einwirkung ist dabei nur die eine Seite. Das Verständnis für die Natur und das Wesen des Pferdes sowie eine gesunde Selbsteinschätzung die andere. Wer sich ein junges Pferd zulegt, sollte wissen, dass es die Bedeutung von Hilfengebung erst erlernen muss. Bis dahin funktionieren Gas, Bremse und Lenkung eben nur eingeschränkt und deutlich weniger perfekt. Er sollte wissen, dass – ähnlich wie bei Kindern – sein Bewegungsdrang ausgeprägter und unkontrollierbarer ist als meist bei älteren Pferden. Er sollte sich über das erhöhte Risiko, abgeworfen zu werden, im Klaren sein. Die realistische Einschätzung der eigenen körperlichen Fitness und der Fähigkeit, einen Sturz geschmeidig abrollen und möglichst unbeschadet überstehen zu können, hilft, schmerzhafte Überraschungen zu vermeiden oder zumindest auf ein Minimum zu reduzieren.

Gutes Lehrpferd

Aber muss es für einen unerfahrenen Reiter denn nun gleich ein „altes“ Pferd sein? Jein. Es sollte aus oben beschrieben Gründen kein junges Pferd sein, sondern eines, das zum Reiter und dessen Fähigkeiten und Interessen passt. Möchte ein unerfahrener Reiter sich zum Beispiel früher oder später auch mal turniersportlich messen, macht es für ihn Sinn, auf einem möglichst weit ausgebildeten Pferd (Reiten und Fühlen) lernen und Erfahrungen sammeln zu können. Möchte er dagegen eigentlich nur ein wenig entspannt ausreiten, reicht bereits eine solide Grundausbildung des Pferdes. Für beide gilt aber: Souverän sollte das Pferd sein und bei reiterlichen Fehlern nicht gleich aus der Fassung geraten. Nicht umsonst spricht man vom guten „Lehrpferd“. Und das ist und bleibt, neben einem guten Ausbilder, der beste Lehrmeister für junge sprich unerfahrene Reiter.

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