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5. Liebenberger Pferdeforum

Hilfszügel: Wann helfen sie, wann schaden sie?

Der Stützrad-Effekt

Beim Thema Hilfszügel scheiden sich die Geister. Für die einen sind sie ein beliebtes Hilfsmittel, für die anderen ein rotes Tuch. Richtig eingesetzt leisten Hilfszügel einen wichtigen Beitrag in der Grundausbildung von Pferd und Reiter – wie Stützräder am Fahrrad. Falsch verschnallt und verwendet bewirken alle Hilfszügel genau das Gegenteil. Welche Hilfszügel es gibt, wann sie nützen und wie man sie korrekt verwendet, zeigt der vierte Teil unserer Ausrüstungsserie.

Der Dreieckszügel wird häufig bei Reitanfängern eingesetzt. Er ermöglicht es dem Pferd, sich vorwärts-abwärts zu dehnen. Foto: T. Lehmann

Im Grunde tun Hilfszügel genau das, was ihr Name suggeriert: Sie helfen und unterstützen Reitanfänger und unerfahrene Pferde gleichermaßen in ihrer Ausbildung. Gerade Reitanfänger tun sich zu Beginn der reiterlichen Ausbildung schwer, ihre Hilfen entsprechend zu koordinieren. Korrekt verschnallte Hilfszügel bieten dem Pferd an dieser Stelle eine gleichmäßige Anlehnung. Das Pferd bleibt auch unter dem unerfahrenen Reiter in Balance, während dieser sich allein auf seinen Sitz konzentrieren, sein Bewegungsgefühl schulen und sein Verständnis für die Hilfengebung entwickeln kann. So kommen Reitanfänger auf einem korrekt ausgebundenen Pferd deutlich besser zum Sitzen. Im übertragenen Sinne sind die Hilfszügel für Reitanfänger das, was für Kinder die Stützräder am Fahrrad sind.

Auch Reitmeister Martin Plewa, ehemaliger Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule, misst Hilfszügeln eine wertvolle Aufgabe bei: „Mit zunehmender Ausbildung der Reiter sollten die Ausbinder allmählich immer länger verschnallt werden können, damit die Reiter schrittweise lernen, ihre Pferde an die Hilfen zu stellen.“ Das unerfahrene Pferd hingegen lernt mit korrekt verschnallten Hilfszügeln, sich vom Gebiss abzustoßen und ins Gleichgewicht zu kommen. Deshalb hält auch Martin Plewa den Einsatz bestimmter Hilfszügel zu Ausbildungszwecken des Pferdes beim Longieren für angemessen. Und gelegentlich auch unter dem Sattel: „Beispielsweise bei Korrekturpferden, die durch falsches Reiten fehlerhafte Muskulatur entwickelt oder das Vertrauen zur Reiterhand völlig verloren haben“, beschreibt er. Für ihn sind nur solche Modelle sinnvoll, die es dem Pferd ermöglichen, eine Anlehnung zu finden, an das Gebiss heranzutreten und sich im Gleichgewicht daran abzustoßen.

Diese Kriterien erfüllen beispielsweise der einfache Ausbindezügel, der Dreiecks- oder auch der Laufferzügel. „Alle Ausbinder, die das nicht ermöglichen, sind grundsätzlich abzulehnen“, so Plewa. Das sind beispielsweise Chambon, Gogue oder der sogenannte Halsverlängerer. Wichtig beim Longieren oder Reiten mit geeigneten Hilfszügeln ist, dass diese das Pferd nie in seiner Vorwärtsbewegung behindern dürfen. Sie müssen stets so lang verschnallt sein, dass das Pferd mit der Stirn-Nasen-Linie vor oder an der Senkrechten steht – nie dahinter. „Außerdem sollte das Pferd immer die Gelegenheit haben, sich einige Minuten ohne Ausbinder im freien Schritt bewegen zu können, bevor diese eingeschnallt werden“, merkt Martin Plewa an.

Der einfache Ausbinder auf diesem Foto bietet ebenso wie die Dreiecks- und Laufferzügel dem Pferd einen vorgegebenen Rahmen. Foto: T. Lehmann

Alle Illustrationen: Cornelia Koller, Dierkshausen; mit frdl. Genehmigung entnommen aus „Grundausbildung für Reiter und Pferd, Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1“, Hrsg.: Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN), FNverlag, Warendorf 2014.

Der feine Unterschied

Nimmt man es genau, unterscheidet man bei den Hilfszügeln zwischen Ausbinde- und Korrekturzügeln. Ausbindezügel, wie beispielsweise die einfachen Ausbinder, die Dreiecks- und Laufferzügel, bieten dem Pferd in einem vorgegebenen Rahmen Anlehnung beim Longieren oder in der Ausbildung von Reitanfängern. Korrekturzügel wie der Schlaufzügel bringen das Pferd nur in eine bestimmte Haltung, ermöglichen aber keine Anlehnung.

Generell schränken alle Hilfszügel das Pferd in der Fähigkeit ein, seinen Hals als Balancierstange zu nutzen. Deshalb sind sie auch nur für das Reiten auf ebenem Hufschlag geeignet. Niemals dürfen sie beim Überwinden eines Hindernisses oder im Gelände zum Einsatz kommen. Hier darf ausschließlich ein korrekt verschnalltes Martingal verwendet werden. Es verhindert, dass ein Pferd zum Beispiel beim Anreiten eines Hindernisses den Kopf nach oben nimmt und sich so den Reiterhilfen entzieht. Für Martin Plewa lautet das oberste Ziel in Bezug auf Hilfszügel, sie möglichst bald entbehrlich zu machen. Schließlich sollen die Stützräder am Fahrrad auch irgendwann überflüssig werden.

Wo Hilfszügel schaden

Werden Hilfszügel allerdings allein zu dem Zweck genutzt, das Pferd in eine bestimmte Kopf-Hals-Haltung zu bringen, bewirken sie genau das Gegenteil von dem, was der Reiter sich eigentlich wünscht. Wer sein Pferd mit Schlaufzügeln & Co. in eine Haltung zwingt, der setzt Zufriedenheit, Losgelassenheit und sogar die Gesundheit seines Pferdes aufs Spiel.

Denn so nimmt das Pferd zwar den Kopf nach unten, doch bleibt der Impuls des Hinterbeins völlig auf der Strecke. Letztendlich ist aber gerade das unter den Schwerpunkt fußende Hinterbein verantwortlich für die korrekte Körperhaltung des Pferdes unter seinem Reiter. Der Impuls soll über den Rücken in die Reiterhand federn, dort sanft abgefangen und wieder über den Rücken zum Hinterbein zurückgeleitet werden. Nur so kann das Pferd über seinen Rücken einen positiven Spannungsbogen erzeugen. Es kann seinen Reiter dauerhaft tragen und dabei gesund bleiben.

Ein durchlässiges Pferd dehnt sich vorwärts-abwärts an die Reiterhand und entwickelt im Laufe seiner Ausbildung die Fähigkeit, sich aufzurichten und Last mit der Hinterhand aufzunehmen. Dem geschulten Reiter gelingt es, sein Pferd stets in die gewünschte Haltung zu bringen. Kurz verschnallte Hilfszügel liefern ein Bild, das für den Laien vielleicht so ähnlich aussehen mag. Mit reeller Anlehnung hat das aber wenig zu tun.

Tabuthema Schlaufzügel

Gerade der Schlaufzügel ist vielerorts verpönt. Schließlich kann der Reiter sein Pferd mit diesem Hilfsmittel – bei entsprechender Anwendung – in eine bestimmte Haltung zwingen. Der Schlaufzügel ermöglicht ohne großen Aufwand eine enorme Kraftverstärkung auf das Pferdemaul. Im Falle eines dauerhaften Missbrauchs kann er dem Pferd großen körperlichen und psychischen Schaden zufügen. Das Problem ist nicht der Schlaufzügel an sich, sondern vielmehr ein falsches Verständnis von Durchlässigkeit. Korrekt angewendet hat der Schlaufzügel eine begrenzende Wirkung und ist vielmehr ein Korrektur- als ein Hilfszügel. Bei Pferden mit erheblichen Gebäudemängeln oder auch in schwierigen Korrektursituationen kann er angebracht sein, sollte aber schon nach kurzer Zeit überflüssig werden.

Das bestätigt auch Reitmeister Martin Plewa. Für ihn darf der Schlaufzügel nur in schweren Korrekturfällen zum Einsatz kommen. „Wenn Pferde gelernt haben, sich so den Reiterhilfen zu entziehen, dass keine effektive Einwirkung mehr greift“, beschreibt er eine solche Ausnahmesituation. „Leider wird der Schlaufzügel häufig missbraucht, um das Pferd mit Hilfe der Kraftverstärkung in eine bestimmte Kopf-Hals-Haltung zu zwingen“, schildert Martin Plewa und fügt hinzu: „Dies ist grundsätzlich abzulehnen, da es der Reitlehre völlig widerspricht.“ Wird der Schlaufzügel zum ständigen Begleiter, ist berechtigtes Misstrauen gegenüber der Ausbildungsarbeit angebracht.

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung hat den Schlaufzügel zwar nicht generell verboten. Doch ist er erst ab der Klasse M** auf dem Vorbereitungsplatz und nur auf ebenem Hufschlag – niemals beim Überwinden eines Hindernisses – zugelassen. Damit zeigt die Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO), dass dieses Hilfsmittel nur in erfahrene Reiterhände gehört. Aber auch für erfahrene Reiter sollte dieser nur in Ausnahmefällen notwendig sein und nicht leichtfertig oder als Abkürzung auf dem Ausbildungsweg verwendet werden. Denn mit der „Kopf-runter-Mentalität” kommt kein Reiter auf Dauer weiter. Meist ist eine fehlerhafte Einwirkung des Reiters schuld an den Anlehnungsproblemen. Weder ein Gebiss, noch ein Reithalfter oder ein Hilfszügel können diese Probleme reell lösen. Niemals denkt ein Pferd sich absichtlich Unarten oder Verhaltensweisen für seinen Reiter aus. Es reagiert lediglich unmittelbar auf die Hilfen, die sein Reiter gibt. Welche Ausbinde- und Hilfszügel es gibt, wie sie wirken und zu welchem Zweck der Reiter sie einsetzen kann, zeigt die folgende Übersicht:

Einfache Ausbindezügel

Aussehen und Verschnallung: Es handelt sich bei den einfachen Ausbindern um zwei schmale Riemen aus Leder oder Gurtband. An einem Ende befindet sich ein Karabinerhaken, der sich in den Trensenring unterhalb der Zügel einhaken lässt. Die Schlaufe am anderen Ende wird durch den Sattel- beziehungsweise Longiergurt geführt und auf Höhe des Buggelenks befestigt. Sie sollten auf keinen Fall tiefer verschnallt werden. Dann nämlich wirken die Ausbindezügel nach unten.

Vorteil: Die einfachen Ausbindezügel eignen sich besonders zum Voltigieren und für Reitanfänger an der Longe, da sie dem Pferd eine gleichmäßige und sichere Verbindung in gleichbleibender Haltung bieten. Darüber hinaus bieten sie eine gute seitliche Begrenzung, die dem Longieren auf dem Zirkel zugutekommt.

Nachteil: Die einfachen Ausbindezügel lassen kaum Dehnung zu. Außerdem sind solche mit Gummiring nicht zu empfehlen. Das Gummi gibt bei jedem Herantreten an das Gebiss nach und zieht wieder zurück. Dadurch erschwert es das Abstoßen. Außerdem hat es ein relativ hohes Eigengewicht, das viel Bewegung im Pferdemaul verursacht.

Elastikausbinder

Elastische Hilfszügel, beispielsweise elastische Ausbinder oder die sogenannten Halsverlängerer, bewirken genau das Gegenteil von dem, was der Reiter sich wünscht. Sie erschweren es dem Pferd, sich vom Gebiss abzustoßen und wirken wie ein Expander, der die Unterhalsmuskulatur trainiert. Das Pferd lernt, sich auf dem Gebiss abzustützen und das Genick versteift sich zusehends.

Dreieckszügel

Aussehen und Verschnallung: Der Dreieckszügel ist etwa zweieinhalb Meter lang und teilt sich an beiden Enden in verstellbare Schlaufen, mit denen er sich seitlich befestigen lässt. Die Schlaufe des einteiligen Endes wird zwischen den Vorderbeinen am Sattelgurt befestigt. Die geteilten Enden laufen jeweils von innen nach außen durch die Trensenringe zurück zum Sattelgurt. Das entstandene Dreieck ermöglicht dem Pferd eine flexible Kopf-Hals-Haltung.

Achtung: Der Dreieckszügel darf seitlich nicht zu tief verschnallt werden. Das vermindert nämlich den verwahrenden Effekt des äußeren Ausbinders deutlich.

Vorteil: Der Dreieckszügel lässt in begrenztem Maße die Dehnung des Halses zu. Das bedeutet mehr Flexibilität für das Pferd. Deshalb eignen sie sich auch für Reitanfänger beim freien Reiten. Er ermöglicht es dem Pferd, sich vermehrt vorwärts-abwärts zu dehnen.

Dreieckszügel

Nachteil: Im Gegensatz zum einfachen Ausbindezügel bietet der Dreieckszügel weniger seitliche Begrenzung. Gerade bei Reitanfängern, die noch nicht genügend nachtreiben, kann das Pferd schnell auf die Vorhand kommen.

Laufferzügel

Laufferzügel

Aussehen und Verschnallung: Die jeweils zweieinhalb Meter langen Zügel ermöglichen mit ihren verstellbaren Schlaufen an den Enden zwei Möglichkeiten der Befestigung: Entweder werden sie wie ein Dreieckszügel verschnallt. Oder aber sie werden seitlich auf Höhe des Buggelenks und weiter oben am Sattel- oder Longiergurt befestigt. Die Enden werden immer von innen nach außen durch den Trensenring geführt. Bei tiefer seitlicher Verschnallung ähnelt die Wirkung dem der einfachen Ausbinder.

Vorteil: Der Laufferzügel bietet mit seinen unterschiedlichen Befestigungsmöglichkeiten einen größeren Anwendungsspielraum. Er kann für die Lösungsphase wie ein Dreieckszügel verschnallt werden und für die Arbeitsphase, wenn das Pferd sich vermehrt selbst trägt, seitlich etwas höher. Der Laufferzügel lässt je nach Verschnallung unterschiedliche Kopf-Hals-Haltungen zu und ermöglicht die Dehnung des Halses. Außerdem bietet er eine gute seitliche Führung.

Nachteil: Die Variationen der Verschnallung sind eher für das Longieren mit Longiergurt geeignet, da sie nur möglich sind, wenn der Gurt mehrere Ringe in unterschiedlicher Höhe besitzt.

Korrekt angelegtes Martingal

Zu kurz verschnalltes Martingal

Martingal

Aussehen und Verschnallung: Das Martingal besteht aus einer Schlaufe, die zwischen den Vorderbeinen durch den Sattelgurt geführt wird. Es gabelt sich im oberen Teil. Die Enden sind mit Ringen versehen, durch die sich die Zügel führen lassen. Das Martingal hat außerdem einen Riemen, der dem Pferd um den Hals gelegt wird. Dieser und ein zusätzlicher Martingalstopper sorgen für einen sicheren Sitz. Der Brustriemen zwischen den Vorderbeinen muss unbedingt eng anliegen. Sonst kann das Pferd über dem Hindernis mit seinem Huf darin hängenbleiben. Ein riesiges Verletzungsrisiko für Pferd und Reiter! Martingalstopper an den Zügeln verhindern, dass die Ringe des Martingals an den Zügelschnallen hängenbleiben. Die Gabel des Martingals muss so lang sein, dass die Zügellinie bei normaler Kopf-Hals-Haltung des Pferdes nicht unterbrochen wird. Eine Martingalgabel lässt sich auch in ein Vorderzeug einschnallen. Das Vorderzeug verhindert, dass der Sattel im Gelände oder im Parcours nach hinten rutscht.

Vorteil: Das korrekt verschnallte Martingal gibt dem Pferd eine Begrenzung nach oben, sollte es den Kopf hochnehmen, um sich den Reiterhilfen zu entziehen.

Nachteil: Häufig wird die Gabel des Martingals zu kurz verschnallt, weil der Irrglaube herrscht, ein heftiges Pferd so besser regulieren zu können. Tatsächlich bewirkt aber die gebrochene Zügellinie, dass sich das Gebiss im Pferdemaul aufstellt und schmerzhaft gegen den Gaumen und auf die Laden drückt. Das kann zu weiteren Abwehrreaktionen führen.

Kirsten Ahrling

Die Gabel des Martingals darf nicht zu kurz verschnallt werden. Wie das Martingal korrekt sitzen muss, erläutert Springausbilder Heinrich-Wilhelm Johannsmann.

Der Brustriemen zwischen den Vorderbeinen muss unbedingt eng anliegen. Sonst kann das Pferd über dem Hindernis oder beim Buckeln mit seinem Huf darin hängenbleiben. Foto: T. Lehmann

 

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