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Freispringen

Immer der Reihe nach!

Gymnastizieren, Abwechslung, Einstieg in die Springkarriere, Talentsichtung – Freispringen ist viel mehr als das Springen ohne Reiter. Für jede Altersklasse und für Spring- und Dressurpferde gleichermaßen.

Bei der Talentsichtung von jungen Sportpferden gehört das Freispringen zum Programm. Fotos: Stefan Lafrentz

Das Prinzip des Freispringens ist simpel: Das Pferd überwindet ohne Reiter einen oder mehrere Sprünge als Gymnastikreihe. Der Clou steckt im Detail, genauer im Aufbau der Reihe. Mit der passenden Abfolge lässt sich ein Pferd optimal gymnastizieren, im Sprungablauf oder in der Technik verbessern. Gerd Sosath aus Niedersachsen bereitet junge Hengste auf ihre Körung vor und bildet Nachwuchspferde bis zur schweren Klasse aus. Für ihn ist das Freispringen ein fester Bestandteil im wöchentlichen Trainingsplan seiner Youngster bis Vierjährig und der Dressurpferde. „Das Freispringen gibt uns bei einem jungen Pferd einen guten Überblick darüber, ob es Vermögen hat, Mut und Übersicht. Wie geschickt, intelligent, vorsichtig und beweglich es ist und ob es Einstellung hat“, erläutert er.

Um das Verletzungsrisiko zu minimieren, sollten beim Freispringen unbedingt Bandenständer zum Einsatz kommen.

Gemeinsam geht es besser: Junge Pferde werden beim ersten Freispringen zunächst von einem Helfer durch die Gasse geführt, damit sie sich mit der bevorstehenden Aufgabe vertraut machen können. Es ist zu empfehlen, dass der Helfer dabei Handschuhe trägt. Fotos (2): Stefan Lafrentz

Für die Nachwuchspferde ist das Freispringen eine Möglichkeit zu zeigen, was sie können. Darüber hinaus führt es ein junges Pferd an die Grundlagen des Springreitens, an das Hindernismaterial, die Distanzen und verschiedene Arten von Sprüngen heran. Sie lernen, sich selbst zu koordinieren, sie gewinnen an Selbstbewusstsein und Erfahrung. Nicht nur der Nachwuchs profitiert vom Freispringen, auch für Fortgeschrittene ist ein wöchentliches Springen ohne Reiter Gold wert: Es bringt Abwechslung, besonders im Winter, und fördert die Losgelassenheit, Rückentätigkeit, Elastizität, Reaktionsschnelligkeit, den Rhythmus und die Kraft der Hinterhand. Es gibt Selbstvertrauen, Bewegungsabläufe über dem Sprung können verbessert werden. Reitmeister Martin Plewa erklärt: „Man schult die Übersicht des Pferdes am Sprung sowie seine Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Selbständigkeit. Mit gezieltem Aufbau kann man auch versuchen, Springmanier, Beintechnik und Flugkurve über dem Sprung positiv zu beeinflussen.“ Er sagt aber auch: „Natürlich kann man keine Probleme lösen, die im Zusammenhang mit der Rittigkeit stehen, weil hierzu eine reiterliche Einwirkung zwischen Hindernissen erforderlich ist. Auch sehr heftige Pferde sind meist nicht über Springreihen ruhiger zu bekommen.“

Beide Experten sind sich einig, dass das Freispringen gerade für Dressurpferde ein wertvoller Ausgleichssport ist. Dabei wölben sie den Rücken auf, werden beweglich und losgelassen, bekommen den Kopf frei und haben Spaß. „Dies habe ich auch bei älteren Schulpferden festgestellt, die schwerpunktmäßig zur Dressur eingesetzt wurden“, fügt Martin Plewa hinzu. Bei allen Lobeshymnen auf das Freispringen muss man aber realistisch bleiben. Es gibt Pferde, denen das Springen absolut nicht liegt – sei es rassebedingt oder aufgrund von fehlender Geschicklichkeit und Koordination. Da macht das Freispringen wenig Sinn und das Verletzungsrisiko ist zu hoch. Auch bei weiter ausgebildeten Springpferden gibt es bessere Alternativen, um das Training abwechslungsreich zu gestalten.

Der richtige Aufbau

Freispringen hat positive Trainingseffekte, wenn Vorbereitung und Aufbau stimmen. Das Pferd muss verstehen, was verlangt ist. Das wichtigste Grundprinzip ist, die Springreihe an der langen Seite sachgemäß aufzubauen. Dazu gehören Bandenständer und sicheres Hindernismaterial für die eigentlichen Sprünge und zusätzliches Material zum seitlichen Begrenzen der Reihe. Dazu können Ständer und weitere Stangen verwendet werden, von Flatterband ist allgemein abzuraten. So wird die Freispringreihe optisch eingerahmt und für das Pferd entsteht eine klar verständliche Aufgabe. Vermeiden sollte man auch, die Absperrung am Hindernismaterial zu befestigen, weil damit der individuelle Aufbau der Sprünge erschwert wird. Aber vor allen Dingen weil ein Pferd, das seitlich ausweicht, schlimmstenfalls die ganze Reihe hinter sich herzieht. Das Hindernismaterial muss so beschaffen sein, dass sich das Pferd nicht verletzen kann, überflüssige Auflagen gehören entfernt. Alles, was nicht gebraucht wird, ist wegzuräumen. Die Reihe sollte nicht neben ein Casinofenster gebaut werden (lenkt ab). Spiegel gehören abgehängt, Türen und Banden geschlossen. Das Pferd kann entweder mit Halfter oder mit Trensenzaum ohne Zügel freispringen. Um Verletzungen zu vermeiden, müssen die Pferdebeine ausreichend geschützt werden, am besten mit (Spring-)Gamaschen.

Energisch abfußend, ein angepasster Aufwand und mit einer möglichst runden Oberlinie: So wünschen sich Richter den Sprungablauf. Fotos (2): Stefan Lafrentz

An jedem Sprung sollte ein Helfer stehen, der ein Gefühl dafür hat, wie viel Unterstützung das jeweilige Pferd benötigt.

Begleitung vom Boden

So wichtig wie der Aufbau ist das routinierte Bodenpersonal. Es sollte das Pferd am Ein- und Ausgang der Gasse, an den einzelnen Sprüngen und nach der Gasse begleiten. Am besten sind mindestens drei Helfer, die ein Gefühl dafür haben, wie viel Unterstützung das Pferd braucht und die es in einem durchgängig ruhigen, gleichmäßigen Tempo halten können. Sie sollten Handschuhe und festes Schuhwerk tragen. Eine Peitsche mit kurzem Schlag dient der Unterstützung.

Die Fangständer rahmen den Sprung ein und dienen als optische Begrenzung. Sie müssen aus Sicherheitsgründen stabil gebaut und gut sichtbar für Pferde sein. Foto: Stefan Lafrentz

Der Einstieg

Alle Pferde sollten vorher an der Longe im Schritt, Trab und Galopp aufgewärmt und gelöst werden. Ein Kaltstart birgt ein zu hohes Verletzungsrisiko. Bei der Freispring-Premiere geht es im ersten Schritt darum, das Pferd mit dem Ablauf vertraut zu machen – ein ruhiges Traben durch die Gasse ohne Sprünge ist der ideale Einstieg. Der Neuling wird von einem Helfer am Strick mit viel Ruhe durch die Gasse geführt. Im nächsten Schritt liegt ein einzelnes Cavaletti auf dem Boden. Nach dieser Eingewöhnung setzen sich die meisten Pferde von allein in Bewegung. Einen Skeptiker können die Helfer behutsam mit der Peitsche vorwärts treiben. So wird die Springreihe Schritt für Schritt erweitert mit einem aufgestellten Cavaletti, dann zwei kleinen Hindernissen auf einen Galoppsprung, schließlich ein drittes oder sogar viertes Element. Sind die Abstände immer auf einen Galoppsprung angelegt, fällt es dem Pferd leichter, einen gleichmäßigen Rhythmus zu finden. Ein Cavaletti am Einsprung der Gymnastikreihe gibt den Rhythmus vor – egal, ob das Pferd aus dem Trab oder Galopp in die Reihe hineinkommt, genauso können aber auch ein In-Out oder mehrere In-Out-Sprünge aufgebaut werden, mittig zwischen den Sprüngen können (Schaumstoff-) Stangen bzw. Planken am Boden helfen, den Sprungablauf zu verbessern, Einfluss auf das Tempo zu nehmen und die Pferde zu mehr Konzentration aufzufordern. Martin Plewa berichtet: „Ich benutze keine Kreuzsprünge, weil erfahrungsgemäß die Pferde nicht automatisch in der Mitte springen, sondern tendenziell mehr an der Außenseite Richtung Bande.“

Individuelle Abmessungen

Die Abmessungen zwischen den Sprüngen und Stangen sind abhängig von der Galoppade des Pferdes. Bei Pferden mit großer Übersetzung darf der Abstand nicht jedes Mal zu eng sein – sie verlieren die Freude, wenn sie sich zu oft am Sprung verrenken müssen oder Fehler machen. Pferde mit kleinerer Galoppade brauchen eine engere Distanz – es darf nicht das Ziel sein, dass sie den Gang zu hoch schalten und sich an den Sprüngen übermäßig strecken müssen. Die Pferde sollen Selbstvertrauen bekommen und lernen, mit Übersicht und in Ruhe an den Sprung zu kommen und sich Zeit zu nehmen für den Sprungablauf. Dafür braucht es die individuell optimalen Distanzen, die in den Abmessungen zwischen 20 und 30 Zentimeter variieren können. Eine Reihe für den ganzen Stall wird daher vermutlich nicht den gewünschten Effekt erzielen. Eine Richtlinie, an der man sich orientieren kann: Eine Vorlegestange liegt auf ca. 2,50 bis 2,80 Meter, ein Inand- Out auf ca. 3 bis 3,30 Meter. DerEine Richtlinie, an der man sich orientieren kann: Eine Vorlegestange liegt auf ca. 2,50 bis 2,80 Meter, ein Inand- Out auf ca. 3 bis 3,30 Meter. Der erste Sprung sollte auf ca. 6,50 Meter bis 7 Meter stehen. Eine klar erkennbare Grundlinie an jedem Sprung ist ein Muss.erste Sprung sollte auf ca. 6,50 Meter bis 7 Meter stehen. Eine klar erkennbare Grundlinie an jedem Sprung ist ein Muss.

Die Fangständer rahmen den Sprung ein und dienen als optische Begrenzung. Sie müssen aus Sicherheitsgründen stabil gebaut und gut sichtbar für Pferde sein. Foto: Stefan Lafrentz

Bei Bedarf kann sie auch als Vorlegestange etwas vorgezogen werden. Das erleichtert dem Pferd das Taxieren. „Wenn das Vorderbein nicht optimal angewinkelt wird, ziehen wir die Grundlinie einen halben Meter nach vorne, das gibt Sicherheit und das Pferd hat mehr Platz und Zeit, die Vorderbeine besser anzuwinkeln“, so Gerd Sosath. „Ist die Technik der Hinterhand nicht gut, machen wir die hintere Oxerstange etwas höher.“ Denis Nielsen berichtet, wie sie mit dem Freispringen starten: „Wir führen das Pferd an der Hand in die Reihe hinein, dann sind eine Fußstange und zwei Cavaletti auf zwei Meter zu überwinden. Wir fangen immer mit zwei Sprüngen an, um das Pferd daran zu gewöhnen und damit es versteht, was verlangt ist. Nach und nach kommen mehr Sprünge hinzu. Nach den beiden Cavaletti kann man die Reihe dann ergänzen mit einem Steilsprung auf 7 Meter und 7,20 Meter auf einen zweiten kleinen Steilsprung. Später bauen wir Steil auf Oxer auf. Das Hineinführen in die Gasse behalten wir auch bei den Fortgeschrittenen bei, weil sie dann mit mehr Ruhe hineinkommen.“

Unendliche Möglichkeiten

Hat sich der Freispring-Neuling an den Ablauf gewöhnt und das Prinzip des Freispringens verstanden, gibt es unendlich viele Möglichkeiten, die Springgasse zu gestalten mit In-and-Out- und Steilsprüngen, Oxern, Cavalettis und Stangen, Unterstellteilen, Gattern, Wasserplanen und Planken. Zwei Cavaletti können beispielsweise am Anfang und am Ende einer Reihe stehen (aus dem Galopp: 3 Meter). Was oft aus Gewohnheit vernachlässigt wird: die Gymnastikreihe auch einmal auf der rechten Hand springen. „Ich habe das Gefühl, die Pferde springen rechts herum besser, es fällt ihnen leichter – ich habe aber keine Erklärung dafür, warum das so ist“, erzählt Gerd Sosath. Absolviert das Pferd eine Aufgabe, darf der Lohn nicht fehlen – loben oder eine Handvoll Futter bestärken das Pferd darin, dass es etwas gut gemacht hat.

Zeitdruck ist Gift

Drei Faktoren sind das grundlegend Wichtigste beim Freispringen: Zeit, Ruhe und Konzentration. „Ich möchte, dass das Pferd durch Vertrauen lernt, nicht durch Fehler. Das ist die Quintessenz unseres Ausbildungssystems“, betont Gerd Sosath und Martin Plewa ergänzt: „Entscheidend für den Erfolg ist immer, dass Freispringen in aller Ruhe und mit möglichst wenig Einflussnahme von außen durchgeführt wird, damit sich die Pferde auf die Sprünge und die Aufgaben gut konzentrieren können.“ Ein häufiger Fehler beim Freispringen ist, dass zu oft und zu hoch gesprungen wird. Zu verlockend ist für viele die Möglichkeit, das Potenzial des Pferdes herauszukitzeln. Dabei ist der Effekt am größten, wenn nicht permanent hoch gesprungen wird. Vielmehr sollte man sich auf verschiedene, kleinere Gymnastikreihen konzentrieren. Genauso kontraproduktiv ist ein zu hohes Tempo, das Pferd reißt den Kopf nach oben, springt unkoordiniert und ohne Rücken – der Trainingseffekt ist gleich null.

Laura Becker

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