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Suche nach dem idealen Pensionsstall

Durch die Pferdebrille geschaut

Jobwechsel, Umzug, weniger Zeit oder einfach ein Tapetenwechsel – es gibt viele Gründe, einen neuen Pensionsstall zu suchen. Was alle jedoch gemein haben: Jeder Stallwechsel ist mit einer bunten Mischung aus Gefühlen, Stress und nötiger Vorbereitung verbunden. Der neue Stall will sorgfältig ausgewählt sein. Aber welche Kriterien sind maßgeblich? Ein Blick durch die Pferdebrille.

Wie sieht er aus, der ideale Pensionsstall, in dem sich Pferd und Reiter wohlfühlen? Fotos (3): Christiane Slawik

Ein Stallwechsel ist immer mit Aufwand verbunden, viele Faktoren spielen zusammen, müssen bedacht werden. Sich vorab Vorstellungen über den neuen Stall zu machen, ist in keinem Fall verkehrt. Die Vorstellungen müssen aber letztlich auch umsetzbar sein. Nicht nur die Entfernung und das Budget spielen eine Rolle, viel wichtiger ist das Wohlergehen des Pferdes. Während sich der Besitzer pro Tag wohl nur wenige Stunden auf der Anlage aufhält, muss es dem Pferd 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche, an 365 Tagen im Jahr dort gutgehen.

Funktionskreise im Blick

Doch was ist dem Pferd wichtig? Was ist essenziell für sein Wohlbefinden? Um diese Fragen zu beantworten, sollte sich jeder Pferdebesitzer mit den Grundlagen der Pferdehaltung beschäftigen. „Grundsätzlich sollten die wichtigsten Funktionskreise des Pferdes erfüllt sein. Dazu zählen unter anderem das Bewegungsverhalten, das Fütterungs- bzw. Fressverhalten, das Sozialverhalten, das Ruheverhalten und auch das Neugierde- bzw. Erkundungsverhalten. Die Grundbedürfnisse müssen also in jedem Fall und in jedem Stall erfüllt werden“, sagt Katja Wagner, Offizialberaterin und Leiterin des Fachbereichs Pferdehaltung an der Landwirtschaftskammer Schleswig- Holstein. Je nach Haltungssystem ist ein angepasstes Management erforderlich, um den Bedürfnissen der Pferde gerecht zu werden. Während in einem entsprechend konzipierten Bewegungsstall die Möglichkeit zur freien Bewegung konstant gewährleistet ist, muss diese in einem Pensionsstall mit Einzelhaltungssystem anderweitig erfüllt werden: neben der Bewegung unter dem Sattel oder in der Führanlage zum Beispiel durch täglichen Auslauf auf Paddock oder Weide, so dass das Pferd unterm Strich täglich mehrstündig Bewegung erhält. In der Gruppenhaltung hingegen ist beispielsweise die sorgsame Beobachtung der Pferde besonders wichtig, um frühzeitig Veränderungen oder gar Konflikte in der Gruppe festzustellen und reagieren zu können. Grundsätzlich wird zwischen Gruppenhaltung (z. B. Bewegungsstall, Offenstall, Dauerweide) und Einzelhaltung (z. B. Box mit angeschlossenem Kleinauslauf, sogenannte Paddockbox, Fensterbox, Innenbox) unterschieden. Auch wenn sonst alles stimmt: Ein Funktionskreis darf niemals gänzlich außer Acht gelassen werden. Und je nach Haltungsform gilt es, ein entsprechendes Management vorzuhalten.

Durch die Pferdebrille geschaut: Welche Anforderungen hat das Pferd an einen neuen Stall?

Insbesondere bei der Einzelhaltung in Boxen sollte auf ein gutes Stallklima geachtet werden.

Das Stallklima

„Wenn das Pferd in einer Box untergebracht ist, sind die Anforderungen an das Stallklima ganz andere als in einem Offenstall, in dem auf Grund der offenen Bauweise bereits ein guter Luftaustausch gewährleistet ist. Die Boxen müssen hell und sauber sein, vor allem aber muss ein gutes Klima herrschen – und das zu jeder Jahres- und Uhrzeit“, empfiehlt Katja Wagner. Sie fährt fort: „Deshalb ist es auch wichtig, wenn man sich den Stall zum Beispiel im Sommer anschaut, nachzuhaken, wie die Belüftung im Herbst und Winter gehandhabt wird. Werden Fenster und Türen rigoros geschlossen, aus Furcht vor Frost in den Tränken? Es lohnt auch ein Blick an die Boxenwände: Sind diese feucht, gibt das bereits Aufschluss darüber, wie oft die Luft getauscht, also wie oft gelüftet wird.“

Das Ernährungsverhalten

Ein Aspekt, der wortwörtlich zu Bauchschmerzen führen kann, ist das Fütterungsmanagement. Bei einer Stallbegehung ist es völlig legitim, sich nach dem Fütterungsrhythmus, der Menge des Futters und nach der Futterqualität zu erkundigen. Wonach richtet sich die Menge? Kann diese individuell bestimmt werden? Woher wird das Raufutter bezogen? Wie wird alternativ gefüttert, falls ein Jahr keine gute Heuernte abwirft? Im Vordergrund jeder Ration muss das Raufutter stehen, Heu oder andere Raufutterquellen sollten die vorherrschende Komponente in der Futterration darstellen. Lohnenswert ist die Frage, wie die tägliche Menge an Raufutter pro Pferd bemessen wird. Diese sollte sich am Bedarf des Pferdes ausrichten (mindestens 1,5 bis 2 Kilogramm Raufutter pro 100 Kilogramm Körpergewicht). In Ergänzung zur Heuration kann auch Futterstroh einen Teil des Raufutterbedarfs decken.

Leitfragen zum Stallwechsel

❏ Welche Qualifikationen und Erfahrung hat der Betriebsleiter?

❏ Wie ist die Anlage gestaltet: übersichtlich, ordentlich, strukturiert?

❏ Auf mögliche Verletzungsrisiken an Boxen, Tränken, Toren, Zäunen usw. achten

❏ Inwieweit werden die Anforderungen an viel Licht und Luft im Stall erfüllt?

❏ Hat in der Gruppenhaltung jedes Pferd Zugang zu den Funktionsbereichen (Futtereinrichtungen, Wasser, Liegebereich etc.)?

❏ Wie ist die Grundversorgung geregelt?

❏ Wird die Futterqualität überprüft?

❏ Wie viel und wie oft haben die Pferde Auslauf? Wie groß sind die Flächen?

❏ Welche Dienstleistungen werden erbracht?

❏ Welche Ausstattung hat die Reitanlage?

❏ Wie sieht der Tagesablauf im Betrieb aus?

❏ Wie werden neue Pferde integriert?

❏ Welchen Eindruck machen die Pferde vor Ort?

Platz zum Bewegen

Hinsichtlich Bewegung und Fütterung sind Weideflächen wünschenswert. Während der Weidesaison kommen Pferde ihrem natürlichen, physiologischen Verhalten am nächsten: Sie können konstant Futter aufnehmen und bewegen sich dabei im langsamen Schritt vorwärts. Besonders anspruchsvoll ist häufig das Thema der freien Bewegung in den Wintermonaten, wenn Weideflächen auf Grund der Bodenverhältnisse vielerorts nicht genutzt werden können. Denn die kontrollierte Bewegung allein, sei es an der Longe oder unter dem Sattel, reicht nicht aus. „Das Pferd muss sich frei bewegen können. Dabei gilt die Grundsatzregel von mindestens 150 qm für zwei Pferde. Das Pferd muss in der Lage sein, sich in allen drei Grundgangarten frei zu bewegen. Diese Eckdaten, die als Mindestmaß zu verstehen sind, gelten Sommer und Winter. Wichtig ist also, dass eine ausreichende Anzahl an Paddocks oder Weiden für die tägliche freie Bewegung aller Pferde vorhanden ist. Der Kleinauslauf vor der Box, oftmals als Paddockbox bezeichnet, reicht für die Bewegung nicht aus. Er ist gerade mal eine kleine Terrasse, die aber für die Sozialkontakte und für Außenklimareize sehr gut genutzt werden kann“, erklärt Pferdehaltungsexpertin Wagner. Hilfreich bei der Stallbesichtigung ist daher die Frage, wie das tägliche Bewegungsmanagement zu unterschiedlichen Jahreszeiten gehandhabt wird, wie viele Weiden oder Paddocks zur Verfügung stehen und wie viel Zeit das Pferd dort täglich verbringen darf.

Paddockbox bezeichnete Box mit Kleinauslauf ist nicht mehr als eine Box mit kleiner Terrasse – super für Sozialkontakte, aber für freie Bewegung nicht ausreichend. Fotos (6): Christiane Slawik

Egal welches Haltungssystem und welche Jahreszeit: Luft, Licht, Bewegung, gutes Futter und Sozialkontakte sollten immer gegeben sein.

Sozialkontakte pflegen

Die Funktionskreise des Pferdes greifen eng ineinander, deshalb sollten sie nicht isoliert betrachtet werden. Auf der Weide und im Auslauf, gemeinsam mit einem weiteren oder mehreren Pferden, haben die Pferde die Möglichkeit, ihre Sozialkontakte zu pflegen. Dies ist prinzipiell auch über Paddockzäune oder durchlässig gestaltete Boxentrennwände hinweg möglich, denn Pferde sollten sich mindestens hören, riechen und sehen können. Daraus ergibt sich, dass Boxen baulich nicht durch Mauerung oder Holzbohlen bis an die Decke undurchsichtig geschlossen sein sollten. 

Ein No-go: Enge Stallgassen wie diese und mangelhafte Abstände an den Boxen bergen Verletzungsrisiken. Das dauerhafte Abstellen von Einrichtungsgegenständen ist aus Brandschutzgründen dringend zu vermeiden. Hier stimmt fast nichts.

Für „Wohngemeinschaften“ gilt: „Die Zusammenstellung der Pferde in einer Gruppe muss gut durchdacht werden. Man darf nie vergessen, dass gerade die Gruppen in Bewegungsund Offenställen künstlich von Menschenhand zusammengestellt sind. Die Integration neuer Pferde muss daher behutsam erfolgen und die Anlage sich entsprechend daran ausrichten: also immer genügend Futter- und Tränkstellen, möglichst viel Platz, ausreichend Ruheplätze“, erklärt Katja Wagner. Sinnvoll ist es, sich zu erkundigen, wie die Integration von neuen Pferden gestaltet wird.

Angebot abwägen

In vielen Regionen sind Pensionsställe rar, in anderen gibt es eine große Auswahl. Wichtig bei einem Stallwechsel ist, sich im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, was einem als Pferdebesitzer selbst wichtig ist und natürlich vor allem, was das Pferd braucht. „Kompromisse müssen eigentlich immer eingegangen werden, wichtig ist allerdings, keine Abstriche hinsichtlich des Bewegungsverhaltens und der Fütterung bzw. Futterqualität zu machen. Dann sollte lieber der Pferdebesitzer selbst Abstriche machen und auf etwaigen Komfort verzichten – das Wohlbefinden und die Gesunderhaltung des Pferdes gehen vor“, appelliert Wagner. Letztlich sollte auch nicht nur der Preis bei der Stallwahl im Fokus stehen. Auch wenn vermeintlich günstige Pensionen locken, lohnt es sich, die beinhalteten Dienstleistungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Was nutzt ein günstiger Stall, wenn man sämtliche Aufgaben alleine bewerkstelligen muss und hinterher kaum noch reell Zeit für das Pferd bleibt? Alle Pferdepensionen bieten ein Für und Wider. Deshalb sollte ein Stallwechsel gut überlegt und vorbereitet sein. Im Pferdesport übernehmen Reiter und Besitzer letztlich nicht nur die Verantwortung für das eigene Wohlergehen, sondern in erster Linie für die ihrer Pferde.

Freie Bewegung ist wichtig. Jedes Pferd muss täglich die Möglichkeit haben, sich in allen drei Gangarten frei bewegen zu können.

Weidegang trägt zum Wohlbefinden der Pferde bei. Hier kommen sie ihremnatürlichen Verhalten am nächsten: ständige Nahrungsaufnahme bei viel Bewegung im Schritt.

Objektivität zahlt sich aus

Jeder Pferdebesitzer hat andere Präferenzen. Sei es hinsichtlich der Reitweise, der Fütterung oder eben der Ansprüche an einen Stall. Vor diesem Hintergrund sollte an die Suche möglichst objektiv herangegangen werden. Viel Bewegung, viele Klimareize, soziale Kontakte und gutes Futter – das sind im ersten die Grundpfeiler der artgerechten Pferdehaltung. Je nach Haltungssystem sind einige Funktionskreise mehr abgedeckt als andere. Pauschale Ratschläge sind schwierig. Die Persönlichen Mitglieder haben daher schon vor mehr als 25 Jahren gemeinsam mit dem Fachmagazin Reiter Revue International das Förderprojekt „Unser Stall soll besser werden“ ins Leben gerufen. Bei diesem geht es nicht um Pauschalisierungen oder Vorurteile. Es geht darum, aus den gegebenen Umständen das bestmögliche in Sachen Pferdehaltung herauszuholen. Ein durchdachter Bewegungsstall kann hier ebenso punkten wie ein gut geführter Pensionsstall mit Einzelhaltungssystem. „Der äußere Schein kann auch trügen. Häufig kommt es vor allem auf das richtige Management an“, erklärt Katja Wagner. „Wenn die Pferde in einem Bewegungsstall alle einen sehr ruhigen, schon teilnahmslosen Eindruck machen, dann muss das nicht zwingend bedeuten, dass die Pferde völlig entspannt sind. Vielleicht sind sie nur ermüdet durch zu viel Stress.“ Genaues Hinsehen ist gefragt. Klar ist, dass man bei einem einzigen Besuch nicht alle Facetten eines Betriebs kennenlernen kann. Als potenzieller neuer Einsteller bekommt man zunächst meist nur das Offensichtliche zu sehen. „Es lohnt immer, sich einen Stall öfter anzuschauen. Man bekommt ohnehin nur Momentaufnahmen mit, aber bei häufigeren Vorab-Besuchen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, mehr vom Betrieb und den üblichen Abläufen kennenzulernen“, erklärt die Pferdehaltungsexpertin.

Checkliste Umzug

❏ Stallwechsel gut vorbereiten, das Pferd nicht bereits im Vorfeld durch die eigene Unruhe stressen.

❏ Sich frühzeitig nach Einstallvorgaben am neuen Stall erkundigen (Impfvorgaben, Vorgaben zur Entwurmung, Gesundheitszeugnis vom Tierarzt, Vorgaben zur Quarantäne.

❏ Mit den Stallregeln des neuen Stalls vertraut machen.

❏ Mit Betriebsleiter des neuen Stalles den Umzug durchsprechen und die Ankunft des Pferdes vorbereiten.

❏ Abstimmung des Tagesablaufs mit dem Betriebsleiter, insbesondere in den ersten Tagen.

❏ Dem Pferd in der neuen Umgebung Zeit und Ruhe geben.

❏ In der Anfangszeit im neuen Stall viel Zeit einplanen, dem Pferd Sicherheit geben, gemeinsam mit ihm die Anlage erkunden.

❏ Auftretende Fragen sammeln und mit dem Betriebsleiter klären.

Augen offen halten

Steht nun eine Stallbesichtigung an, sollte diese strukturiert und durchdacht durchgeführt werden. „Es kommt vor allem auch darauf an, welche Qualifikationen der Betriebsleiter mit sich bringt“, erklärt Dr. Christiane Müller, Tierschutzbeauftragte im FN-Präsidium. Letztlich ist es schließlich der Mensch, der die Abläufe koordiniert und dafür verantwortlich ist, was innerhalb der Pferdepension geschieht. Doch Obacht: Zu sehr auf den Zahn fühlen, kann natürlich auch missverstanden werden. Wichtig ist deshalb, sich vorher Gedanken darüber zu machen. Ebenfalls hilfreich ist eine kleine Checkliste, um die wichtigsten Gefahrenstellen und Prioritäten abzuklären. Einmal vor Ort, kann die Anlage genau unter die Lupe genommen werden. „Die wichtigsten Faktoren sollten immer abgeklärt werden, natürlich angepasst an die Haltungsform. Eine Mindestliegefläche pro Pferd sollte sowohl in Bewegungs- als auch in Boxenhaltung gegeben sein. Außerdem sollten die häufigsten Verletzungsrisiken ausgeschlossen werden, also die Gitterabstände passen, Tränken, Tore, Türverschluss und natürlich die Gestaltung des Bewegungsbereichs keine Gefahrenquellen aufweisen“, erläutert Dr. Müller.

Gruppenhaltung vom Feinsten

Im Siegerstall 2020 von „Unser Stall soll besser werden“ wird genau darauf besonderer Wert gelegt. „Wir haben den Vorteil eines sehr weitläufigen Geländes, dadurch haben wir im Prinzip keine gefährlichen Ecken oder Spitzkehren, in die rangniedrige Pferde hineingedrängt werden könnten“, sagt Birte Wulf-Kobrock, Betriebsleiterin der nahe Kiel gelegenen Pferdepension Dinghorst. Gerade bei Gruppenhaltungssystemen sollten Interessierte die Augen offen halten. Entscheidende Fragen sind zum Beispiel, wie neue Pferde integriert werden, wie die Herde zusammengesetzt ist und vor allem, wie die Fütterung gewährleistet wird, da eine Individualfütterung eher schwer möglich ist.

Auch in Bewegungsställen müssen genügend weich gepolsterte, trockene und verformbare sowie ausreichend große Liegeflächen vorhanden sein.

„Bei uns ist das Grundfutter essenziell. Wie bieten Heu, Heulage und Stroh an mehreren Futterstellen an. Dazu haben wir die Möglichkeit, das Futter doch recht individuell zusammenzustellen. Wir haben Futterautomaten ad libitum oder eben auch rationierten Zugang zu Raufutter. Auch das Kraftfutter lässt sich nach Gewicht einstellen“, erklärt Wulf-Kobrock. Besonders stolz ist die Betriebsleiterin auf den eigens kontruierten Heucob- Automaten, der für die Rentner im Stall portionsweise Heucobs mit Wasser anmischt und ausgibt – und das binnen weniger Minuten.

Unser Stall soll besser werden 2020: Pferdepension Dinghorst

Unser Stall soll besser werden 2017: Classic Dressage

Einzelhaltung gut umgesetzt

Bei Classic Dressage, prämierter Stall 2017, zeigt Betriebsleiterin Corinna Denndörfer, wie artgerechte Haltung in einem Boxenhaltungssystem aussehen kann. „Ich wollte mit der Reitanlage die Möglichkeit schaffen, erstklassige Reit- und Haltungsbedingungen zu kombinieren. Dieses Konzept ist uns geglückt“, erzählt die Betriebsleiterin. Gerade in der Einzelhaltung rückt die Bewegung besonders in den Fokus. Dabei sollte sich dieser Funktionskreis aus möglichst viel freier Bewegung und natürlich kontrollierter Bewegung unter dem Sattel oder an der Longe zusammensetzen. „An fast alle unsere Boxen ist ein Paddock angeschlossen. Die Pferde haben also immer die Möglichkeit, ihre Artgenossen zu sehen, zu riechen und natürlich auch über die Paddockzäune hinweg Sozialkontakt zu suchen. Aber ein kleiner Paddock an der Box reicht natürlich nicht aus. Das wird leider von vielen Betrieben unterschätzt“, erklärt Denndörfer. Deshalb finden sich auf ihrer Anlage zahlreiche Bewegungsausläufe, die mit einer Größe von 250 qm pro Pferd kalkuliert sind. Insgesamt sind an die Reitanlage 23.000 qm Bewegungs- und Weidefläche angeschlossen. „Die Pferde kommen jeden Tag raus: in Gruppen oder auch einzeln. Da richten wir uns nach den Wünschen der Einsteller. Trotzdem kann jedes Pferd bei uns Sozialkontakte pflegen“, sagt die Betriebsleiterin von Classic Dressage.

Luftig, hell und groß genug: Das sind die Anforderungen an eine Pferdebox. Besondershier: Die umfassenden Möglichkeiten für Sozialkontakt. Foto: Stefan Lafrentz

Die Pferdepension Dinghorst ist ein Paradebeispiel für einen gut durchdachten Bewegungsstall. Foto: RRI

Fester Tagesrhythmus

Die Beispiele zeigen: Welcher Stall und welche Haltungsform in Frage kommen, ist individuell abzuwägen. „Viele Pferde genießen es auch, ihren Rückzugsort in einer Box zu haben. Viel ist natürlich auch Gewohnheitssache, aber Pauschalisierungen sind in Haltungsfragen fehl am Platz. Es gilt darauf zu achten, dass die Hauptfunktionsbereiche des Pferdes abgedeckt sind“, resümiert Katja Wagner. Letztlich muss ein Pensionsstall zu beiden passen: Pferd und Mensch. Dabei sollte das eigene Wohl aber nie über das des Pferdes gestellt werden. Da Pferde Gewohnheitstiere sind und für die innere Ausgeglichenheit einen gleichbleibenden Rhythmus brauchen, sollte immer auch der genaue Tagesablauf erfragt werden. Hierzu können auch feste Stallzeiten mit nächtlicher Ruhezeit beitragen. Wichtig ist natürlich, dass sich die Stallzeiten mit anderen Verpflichtungen, beispielweise beruflicher Art, vereinbaren lassen. „Bei der Stallbesichtigung sollte man sich immer den Pferdebestand anschauen. Die Pferde vor Ort geben meist einen ehrlicheren Einblick darüber, wie der Stallalltag tatsächlich ist. Wirken die Pferde entspannt und zufrieden? Können Sie pferdetypisches Verhalten ausüben? Wie ist der Ernährungsund Pflegezustand der Pferde?“, zählt Dr. Christiane Müller auf. Während der Traumstall, der rundum in allen Punkten glücklich macht, in der Praxis oft nicht zu finden ist, bleibt die Erkenntnis: Auf der Suche nach einer „neuen Wohnung“ fürs Pferd ist der Blick durch die Pferdebrille der relevante.

Lorella Joschko

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