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Pferdehalter in Sorge – Wie schlimm ist der Wolf?

Smartphone im Sattel: Wie gehen Reitlehrer damit um?

Chatten auf dem Pferderücken

Sie wird „Digital Natives“ genannt, die Generation, die heute ganz selbstverständlich mit digitalen Medien aufwächst und agiert. Ganz vorn auf der Beliebtheitsskala steht dabei das Smartphone – vor allem auch bei jugendlichen Reitern. Da wird gechattet, gepostet, fotografiert und telefoniert, was das Zeug hält. Fluch oder Segen im Umgang mit dem Pferd?

Lena (li.) und Katrin, Reitschülerinnen von Britta Schöffmann, haben sich fürs Fotoshooting mit ihren Handys „bewaffnet”.
Es kann schon ein wenig nerven, wenn Kids (und auch Erwachsene) in der Reitbahn nebeneinander reiten und quasseln, während andere in Ruhe trainieren wollen. Noch schlimmer wird‘s dann aber, wenn die meist jugendlichen Reiter beim Schrittreiten statt nach vorn nach unten auf den Bildschirm ihres Handys schauen – Generation „Head down“ (Kopf runter) – oder gar mit einer Hand unglaublich ‚wichtige‘ Nachrichten per WhatsApp oder Facebook eintippen. „Das geht gar nicht“, betont Karin Lührs, Dressurausbilderin aus dem niedersächsischen Neversdorf. „Wenn ich selbst reite, liegt mein Handy an einer bestimmten Stelle auf der Bande und ich gehe nur dran, wenn ein wirklich wichtiges Gespräch ankommt. Ansonsten lasse ich es klingeln und rufe später zurück. Meinen Reitschülern mache ich auch gleich zu Anfang an klar, dass zum Reiten auch ein bisschen Etikette und Kultur gehört – und kein Handy.“

Größte Telefonzelle

Auch Pferdewirtschaftsmeisterin Christina Dahl aus Krefeld vertritt eine klare Meinung: „Telefonieren in der Reitstunde ist ein Tabu. Allerdings ist das bei uns, vor allem bei den Jugendlichen bis etwa 13, 14 Jahre eigentlich auch kein großes Problem.

Viel häufiger sind es die ab 18-Jährigen und die Älteren, die dauernd ihr Handy auf dem Pferd benutzen. Da wird die Reithalle dann schon mal zur größten Telefonzelle der Welt. Solange sie niemanden stören, ist es mir relativ egal. Aber wenn sie unaufmerksam sind und den anderen Reitern in den Weg reiten, dann sag ich auch schon mal was. Dann wird das Telefon weggelegt.“ Aber ist das mit dem Handy an und auf dem Pferd nur eine Frage von gutem (oder schlechtem) Benehmen und Rücksichtnahme? Wer beim Reiten telefoniert oder chattet, ist auch schnell abgelenkt. Schon in der Reitbahn kann das zu brenzligen Situationen führen, im Gelände sogar gefährlich werden. Denn die Reaktionszeit durch Handyeinsatz verlängert sich mehr, als man glaubt. In einer Studie des britischen Transport Research Laboratory wurde festgestellt, dass sie sich um 50 Prozent verschlechtert, während man telefoniert. Die Studie bezog sich zwar aufs Autofahren – doch so weit weg vom Reiten ist dies vermutlich nicht.

Ausbilderin Karin Lührs: „Zum Reiten gehört auch ein bisschen Etikette und Kultur.“

Versicherungsschutz

Ein plötzlich scheuendes oder durchgehendes Pferd, ein wie aus dem Nichts aus dem Gebüsch stürmender Hund: Rasant kann es zu Umständen kommen, die blitzschnelles Reagieren im Sattel erfordern. Wer hier zu verzögert reagiert oder wem gar die „Rettung“ seines teuren Smartphones wichtiger ist, als die schnelle und adäquate Einwirkung aufs Pferd, läuft Gefahr, in ernste Schwierigkeiten zu geraten. Der einzige Trost: Versicherungstechnisch ist der Reiter für den Fall der Fälle abgesichert. „Die Haftpflichtversicherung übernimmt auch in einem solchen Fall Schäden, die möglicherweise gegenüber Dritten entstehen“, erklärt Ulrike Seim, Pferdemanagement R+V Versicherungen. Selbst im Falle eines Sturzes mit eigenem Personenschaden ist der telefonierende oder simsende Reiter auf der vermeintlich sicheren Seite. Versicherungsfachmann Bernd Laspe aus Duisburg: „Würde in einem solchen Fall ein Reiter verletzt, übernimmt seine Unfallversicherung die anfallenden Kosten ohne Wenn und Aber.“ Auch rechtlich droht dem Reiter theoretisch kein Ungemach. Juristisch verboten ist – im Gegensatz zum Telefonieren am Steuer – das Handy am Zügel nämlich (noch) nicht.

Völlig ohne Risiko ist das Telefonieren im Sattel trotzdem nicht, wie Rechtsanwalt Nils Michael Becker erklärt: „Ein Reiter könnte auf einem Teil des eigenen Schadens sitzen bleiben, wenn er den Unfall zwar nicht direkt verursacht hat, aber durch Telefonieren deutlich abgelenkt war. Dann könnten Gerichte ihm letztlich eine gewisse Mitschuld am Unfall zurechnen.“ In erster Linie ist also der Reiter selbst gefragt, sich kritisch mit dem Thema und dem Sinn oder Unsinn des Handys auf dem Pferd auseinander zu setzen. „Ich mach‘s ja nur beim Schrittreiten“, heißt es dann oft, oder: „Ich kenne mein Pferd, das ist brav und scheut nicht.“ Das können aber eigentlich nur Begründungen für „ausnahmsweise“ Handynutzung sein. Immerhin kann sich jedes Pferd mal erschrecken, egal wie brav es sonst eigentlich ist. Es gibt Risiken, die sich durch Weglassen ganz einfach vermeiden lassen – besonders da ein Großteil der Telefonate oder Chats nicht wichtig ist und auch später erledigt werden könnte.

Wer dem Handy mehr Aufmerksamkeit als dem Pferd schenkt, unterschätzt die Gefahr, wenn das Pferd sich mal erschrickt.

Schnell mal per WhatsApp oder Facebook bei Freunden melden – die Unsitte greift immer weiter um sich.

Respekt und Anstand

Selbst das Argument des Schrittreitens zieht nur eingeschränkt. Schritt gilt immerhin als die schwierigste Gangart und erfordert viel Gefühl vom Reiter, vor allem als Einstieg in eine Trainingsstunde beim Lösen. Hier soll sich das Pferd aufwärmen, sich nach und nach ans Gebiss und die Reiterhand heran dehnen, seinen klaren Viertakt beibehalten, möglichst fleißig und raumgreifend schreiten und letztlich in eine beginnende Anlehnung kommen. Wie aber soll das gehen, wenn mindestens eine Reiterhand mit dem Handy beschäftigt ist? Und wenn sich Konzentration und Gefühl des Reiters mehr aufs Smartphone als aufs Pferd und seine Tagesform fokussieren? „Gerade das unsinnige Rumspielen während des Aufwärmens im Schritt oder in der Erholungsphase ist abzulehnen, da der Reiter dann nichts fühlt“, betont auch Kerstin Gerhardt, FN-Bereiterin und Mitbegründerin der Kampagneschule in Bedburg. „In der Aufwärmphase ist es wichtig, ins Pferd hinein zu hören – nicht ins Handy. Ich verbiete es rigoros – ebenso wie Kleidung, die eher in eine Disco, als auf ein Pferd gehört. Ein gewisses Maß an Respekt und Anstand gegenüber dem Pferd und der Reiterei sind wohl zu erwarten.“ Auch für Reitmeister Martin Plewa ist die Handybenutzung beim Reiten deshalb ein No Go. „Wenn ein Reiter im Sattel sitzt, sollte er sich auf sein Pferd konzentrieren und einlassen. Ein Handy lenkt hier nur ab. Ich würde es einem Reitschüler deshalb nicht gestatten.“ Und telefonierende Reitlehrer? „Ich gebe zu“, so Plewa, „mir ist es auch schon passiert, dass ich vergessen habe, mein Handy auszuschalten. Aber wenn es dann doch mal während des Unterrichts klingelt, dann würge ich den Anrufer schnell ab. Telefonieren während des Unterrichtens ist für mich ein Zeichen mangelnden Interesses an Reitschüler und Pferd, denn guter Unterricht erfordert auch eine entsprechende Sorgfalt. Und die lässt sich mit einem Handy am Ohr nicht leisten.“

Telefonieren im Unterricht – für Reitmeister Martin Plewa ein No Go.

 

Umfrage unter Reitern

Eine spontane Umfrage auf Facebook brachte innerhalb kürzester Zeit jede Menge Antworten per Nachricht oder Post. Hier eine kleine Auswahl daraus, bei Interesse weitere unter https://www.facebook.com/ BrittaSchoeffmann?ref=settings

 

Ina Kühnel: „Bei uns ist das Smartphone immer dabei, sobald wir auf dem Pferd oder der Kutsche den Stall verlassen. Dabei finde ich den Sicherheitsaspekt besonders wichtig. Es gibt ja mittlerweile auch tolle Apps für die Geländebegeisterten unter den Reitern, da zeichnet man einfach eine tolle Runde auf und gibt sie seinen Stallkameraden weiter. Bin ich im Stall oder in der Bahn liegt mein Handy allerdings im Auto. Ich möchte in meiner wertvollen Freizeit nicht auch noch multitaskingfähig sein. Dazu genieße ich meine Zeit mit den Pferden einfach zu sehr!“

 

Sandra-Isabell Zielke: „Ich benutze es nicht, da ich der Meinung bin, dass bei der Arbeit mit dem Pferd die Aufmerksamkeit dem Tier gelten sollte und nicht dem Versenden von Nachrichten.“

 

Rosita Anaya de Loewenthal: „Ich habe früher beim Reiten telefoniert. Es verlief immer so: Handy klingelte, ich parierte durch und telefonierte. Ich hörte damit auf, als mein Pferd bereits bei dem Klingelton von selbst durchparierte und darauf wartete, dass ich das Gespräch entgegennahm. Seitdem ist das Handy beim Reiten, beim Putzen usw. verbannt und mein Pferd genießt meine volle Aufmerksamkeit.“

 

Linda Amberge: „Ich bin ein böses Mädchen und hab mein Handy auf dem Pony. Wenn ich Schritt reite, schreibe ich schon mal mit anderen, weil es einfach eine Gewohnheit ist und man das Handy ständig dabei hat und immer mal drauf guckt. Kommt aber natürlich nicht jeden Tag vor. Finde aber Telefonieren ein No-Go.“

 

Michaela Gärnter: „Das Handy ist zwar immer dabei, aber für mich ist es hauptsächlich zum Telefonieren da, während des Reitens aber nur im Notfall. Ich finde es furchtbar, wenn ich beim Reiten immer aufpassen muss, die Reiter zu umreiten, die ihr Smartphone checken müssen. Leider sind das bei uns meistens die Berufsreiter. Da wird sogar die Schrittpause beim Unterrichten dazu genutzt, mal eben auf das Ding zu gucken. … Als ich reiten lernte, gab es noch gar keine Handys! Und uns hat es auch nicht an Informationen gefehlt. Da hat man einfach geredet!“

 

Nina Marcharth: „Ich telefoniere sehr oft auf dem Pferd, da ich es relativ lange warmreite. Manchmal hebe ich mir auch bewusst Telefonate für das Pferd auf, weil ich weiß, ich habe dann 20 Minuten Zeit zu telefonieren. In der Arbeitsphase lasse ich es meistens einfach läuten. Auch Facebook, WhatsApp oder SMS Schreiben passiert am Pferd. Allerdings nur bei meinen eigenen, weil die wirklich bombensicher sind.“

 

Nina Aschhoff: „Smartphone beim Pferd? Niemals. Erstens genieße ich die Offlinezeit, zweitens wäre es ja dumm, die Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten zum und mit dem Pferd beim Vorbereiten zu verschenken. Das Smartphone bleibt im Auto – höchstens auf Ausritte nehme ich es mit, zur Sicherheit. Dann ist aber der Ton abgestellt.“

 

Sabine Frömming: „Auf dem Pferd im Prinzip überhaupt nicht. Wenn ich auf dem Pferd sitze, möchte ich Zeit mit dem Pferd verbringen… mit meinem Pferd kommunizieren und nicht mit anderen. … Ich komme aber auch aus der Generation, die schon ohne Handy überleben konnte. Da gab es noch Telefonzellen.“

 

Josephine Collet: „Ich bin 14 Jahre alt. Ich persönlich habe mein Handy im Vibrationsmodus im Stall dabei, falls was passiert. Grundsätzlich sind der Stall, die Pferde und die ganze Stallgemeinschaft mein Ruhepol vom Alltagsstress (Schule usw.) – da brauche ich mein Handy nicht und es ist nur für den Notfall eingeschaltet.“

 

Melanie Bruderuhs: „Bei mir wird das Handy im Stall lautlos gestellt… Ich möchte mich auf mein Pferd konzentrieren. Beim Ausritt ist es für den Notfall selbstverständlich dabei, aber auch hier lautlos. Ich finde Reiter, die auf dem Pferd telefonieren, nicht nur respektlos, sondern sehe es auch als Sicherheitsrisiko. Man ist abgelenkt und unaufmerksam und reagiert, falls das Pferd mal scheut o.ä. sicher nicht so schnell wie ohne Handy in der Hand.“

 

Alice Parrot: „Ich nehme das Handy nur beim Ausreiten mit, falls was passieren sollte. Ansonsten lege ich es in meinen Stallkasten, weil ich beim Reiten bzw. sobald ich beim Pferd bin, meine Ruhe haben möchte. Hätte ich es mit, wäre es wahrscheinlich ein Ablenkungsfaktor. Ich finde es auch dem Pferd gegenüber unfair, von dem man volle Aufmerksamkeit erwartet, wenn man dann selbst mit dem Handy rumwerkt.“

 

Madeleine Lisette Pilpin: „Das stört mich! Ich will mich ganz auf mein Pferd einlassen. Ich will mich einfühlen und einstimmen. Ausnahme: mein Kind! Für meinen Sohn bin ich immer und überall erreichbar. Ist aber eher eine Seltenheit, da meine Familie weiß, dass ich die Zeit im Stall für mich brauche.“

„Echte Vorteile“

Trotzdem verteufelt Plewa das Handy rund ums Pferd nicht. Im Gegenteil. „Es hat schon echte Vorteile. Ich kann mich schnell mit anderen austauschen, kann meine Termine besser und einfacher koordinieren, kann übers Smartphone Ausritte und Touren planen, kann hilfreiche Apps für Reiter nutzen, bin für andere in wichtigen Fällen auch im Wald erreichbar und, ganz wichtig, kann im Notfall schnelle Hilfe herbeirufen.“ Aus diesem Grund hat auch Annika Gamerad, Amateurausbilderin aus Hamminkeln, ihre Handy stets griffbereit: „Ich habe es immer mit dabei, im Sommer in einer praktischen Gürteltasche. Natürlich einerseits für den Notfall, da ich sehr oft alleine reite. Ich telefoniere auch schon mal, dann allerdings mit Headset. So habe ich auch hin und wieder jemanden im Ohr, wenn ich schwierige Pferde reite und wirklich niemand vor Ort ist. Das Headset hält auch im wilden Galopp und beim Bocken.“ Die moderne Technik bleibt also auch rund ums Pferd Fluch und Segen gleichermaßen. Ob sie stört, behindert oder hilft, entscheidet der Reiter selbst. Und auch hier liegt die Wahrheit mal wieder irgendwo in der Mitte, gilt wie bei der Hilfengebung der Leitsatz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Britta Schöffmann

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