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FEI Sports Forum tagte in Lausanne

DOKR erläutert den Stand der Vorbereitungen

Countdown für Olympia

Das wichtigste Sportereignis der Welt rückt näher. In gut drei Monaten wird in Rio de Janeiro das olympische Feuer entzündet. Wie sich die deutschen Athleten und ihre Pferde auf die Spiele (5. bis 21. August) und die anschließenden Paralympics (7. bis 18. September) vorbereiten und welche logistischen Aufgaben zu bewältigen sind, erläuterten Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR), Bundestrainer und Reiter bei einer Pressekonferenz in Warendorf.

„Jetzt nimmt alles richtig Fahrt auf. Wir stehen kurz vor den Sichtungsturnieren.“ DOKR-Geschäftsführer Dr. Dennis Peiler hat die Vorbereitungen rund um die „Operation Olympia“ fest im Griff. Was die deutschen Pferdesportler in den drei olympischen Disziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit erreichen sollen, ist bereits festgelegt. „Wir wollen drei bis fünf Medaillen“, sagt Peiler. Dies ist kein bloßer Wunschtraum, sondern Teil der  Zielvereinbarungen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, DOSB, der als Dachverband Bindeglied zum für die Sportförderung zuständigen Bundesinnenministerium ist. Vor den Spielen 2012 in London beinhaltete die Vorgabe sogar zwei Goldmedaillen. Dank der überragenden Leistungen des Vielseitigkeitsteams und Michael Jung in der Einzelwertung wurde das Gold-Soll erfüllt. Dennoch ist der DOSB bei der jüngsten Zielvereinbarung von der „Farbe“ abgerückt, weil es, wie Peiler erklärte, schlichtweg unmöglich ist, Jahre im Voraus zu prognostizieren, ob Gold, Silber oder Bronze herausspringen können. Sei’s drum: Drei bis fünf Medaillen – das sollte machbar sein.

DOKR-Geschäftsführer Dr. Dennis Peiler informierte bei der Jahrespressekonferenz über den Stand der Vorbereitung, links für die Disziplin Springen Bundestrainer Otto Becker, A-Kaderreiter Patrick Stühlmeyer und Ludger Beerbaum. Fotos: (8) FN/Kaup

Vier Reiter pro Team

Doch bevor es ans Medaillenzählen geht, müssen sich die Aktiven für einen Startplatz im Team empfehlen. Vier Teammitglieder und ein Reservist pro Disziplin sind zugelassen. Seit den letzten Spielen hat sich im Reglement einiges verändert: In London bildeten drei Paare das Dressurteam, hinzu kam über die Weltranglistenposition bei manchen Nationen noch ein Einzelreiter. Diese undankbare Rolle nahm vor vier Jahren Anabel Balkenhol ein. Die Drei-plus-eins-Regel hatte sich als nicht glücklich erwiesen, so dass nun wieder vier Reiter die Mannschaft bilden. Die Vielseitigkeit verliert einen Reiter. Durften in London fünf Paare pro Nation starten, sind in Rio nur noch vier zugelassen. Nur im Springen bleibt alles beim Alten.

Dressur-Bundestrainerin Monica Theodorescu freut sich über eine komfortable Ausgangslage mit vielen guten und teilweise noch jungen Pferden.

Vielseitigkeits-Bundestrainer Hans Melzer will die Goldserie der vergangenen Olympischen Spiele, Welt- und Europameisterschaften in Rio fortsetzen.

In der Disziplin Dressur sind die Deutsche Meisterschaft in Balve sowie der CHIO in Aachen die wichtigsten Eckpunkte des Sichtungsweges. Darüber hinaus legen die Aktiven in Abstimmung mit Bundestrainerin Monica Theodorescu ihre Turnierstarts fest. Die Vielseitigkeitsreiter bereiten ihre Olympiakandidaten individuell auf Vier-Sterne-CCIs vor. Allerdings hat das CCI4* in Luhmühen in Kombination mit der Deutschen Meisterschaft schon beinahe Pflichtcharakter. Eine letzte Formüberprüfung erfolgt beim Nationenpreis in Aachen (CICO). Individueller Sichtungsweg heißt es auch bei den Springreitern. Bei ihnen spielen besonders die Ergebnisse bei den wichtigen CSI5*, wie Global Champions Tour und Nationenpreise, die Hauptrolle für eine Nominierung. Wer die deutschen Farben am Zuckerhut vertreten darf, wird spätestens beim CHIO in Aachen bekannt gegeben. Einen Tag später ist Deadline, also definitiver Nennungsschluss. Am 18. Juli müssen alle Athleten dem DOSB bekannt gegeben werden.

Nur vier Startplätze konnten sich die Deutschen bei den Paralympis sichern. Ihre Wettkämpfe beginnen erst im September. Die Tickets werden bei drei offiziellen Sichtungen vergeben: dem Nationenpreisturnier in Mannheim, der Deutschen Meisterschaft in Werder (Berlin) und beim internationalen Turnier in Überherrn.

Kristina Bröring-Sprehe hofft, diesmal mit ihrem Desperados die britischen Seriensieger Charlotte Dujardin und Valegro zu schlagen.

Ludger Beerbaum will‘s noch mal wissen und bei Olympia starten. Mit Chiara und Casello hat er gleich zwei Eisen im Feuer.

Sönke Rothenberger ist mit Cosmo im Championatskader. Das Pferd war eigentlich für seine jüngere Schwester gedacht, erwies sich aber als zu „feurig“.

19 Pferde im Flieger

19 Pferde der deutschen Aktiven werden um die halbe Welt reisen, je vier plus Reserve in Springen, Dressur und Vielseitigkeit und später dann vier Para-Pferde. Abflughafen ist Lüttich. Mit Frachtmaschinen von Emirates Airlines geht es nonstop nach Südamerika. 44 Pferde passen in jeden Flieger, zusätzlich dürfen elf Betreuer (Tierärzte oder Pfleger) mit an Bord. Für jedes Pferd sind 800 Kilo Gepäck gebucht und zusätzlich 120 Kilo an Futter. Vor Ort sorgen deutsche Pferdetransporter für eine reibungslose Fahrt vom Flughafen zum den Stallbereichen des Wettkampfgeländes und wieder zurück. Der Ire Martin Atock, seit Jahren mit seiner Firma Peden Bloodstock bewährter Spediteur der Pferde zu Olympischen Spielen und Weltreiterspielen, hat mit der Firma Johannsmann, Deutschlands größten Pferdespediteur, einen Leasingvertrag für einige Transporter abgeschlossen. Sie werden per Schiff nach Rio verfrachtet und kommen anschließend wieder zurück zu Johannsmann. Der Grund für diese aufwändige Maßnahme: In Brasilien selbst gibt es keine ausreichende Anzahl hochwertiger Pferde-LKW, die die Transporte aller 200 Olympiapferde (plus Reservepferde) bewältigen könnten, den allgemeinen Sicherheitsstandards entsprechen und hundertprozentigen Schutz vor der in Brasilien weit verbreiteten Infektionskrankheit Rotz bieten.

 

Hilfe vom BKA

Auch in Deodoro im Norden der Metropole regiert die Sicherheit. Das Militärgelände, auf dem neben den Reitwettbewerben auch Fechten, Schießen, Hockey, Mountainbike o.a. ausgetragen werden, verfügt über eine Reitanlage, die ihren Praxistest bereits beim Testevent im vergangenen Sommer bestanden hat. Das Stadion soll mit temporären Tribünen rund 14.000 Zuschauern Platz bieten. Die renovierten Boxen sind seit langem hermetisch abgeschlossen und werden bis zu Eintreffen der Olympiapferde auch keine anderen Vierbeiner beherbergen. Eine neue Tierklinik steht zur Verfügung. Was die Sicherheit der Pferde anbelangt, scheint in Rio alles Menschenmögliche getan worden zu sein. Dennis Peiler gibt zu bedenken: „Dennoch müssen wir sehen, dass wir uns in einem Land bewegen, in dem eine massive Gewaltbereitschaft mit hoher Kriminalität herrscht.“ Auch der DOSB ist sich der allgemeinen Sicherheitsrisiken durchaus bewusst. Wie immer schickt das Bundeskriminalamt  einige seiner Leute zu den Olympischen Spielen, um für die Sicherheit der deutschen Athleten und Offiziellen zu sorgen.

 

„Anspruchsvollstes Profil“

„Sportlich erwarten wir gute Bedingungen“, sagt Dennis Peiler. Das Gelände der Vielseitigkeit ist vergleichbar mit dem der Weltreiterspiele in Kentucky. Bundestrainer Hans Melzer sagt allerdings: „Die Strecke in Deodoro hat das anspruchsvollste Profil aller drei Olympischen Spiele, bei denen ich bisher als Trainer dabei war. Sehr lang, hügelig, aber mit sehr gutem Boden.“ Extreme Kletterpartien wie die im Greenwich Park vom London kommen diesmal nicht auf die Pferde und Reiter zu. Dafür gibt es in Deodoro sehr viele Wasserhindernisse. Zwar kennen alle Viersterne-Pferde Wasserkomplexe, aber um noch besser und gezielter für die Rio-Anforderungen trainieren zu können, wurde auf dem Gelände des Bundesleistungszentrums Reiten in Warendorf ein weiteres Wasserhindernis angelegt. Die Kaderpferde, die zum Lehrgang in Warendorf waren, haben schon ihre ersten Sprünge ins neue Nass absolviert.  Bundestrainer Hans Melzer ist mit dem Stand der Vorbereitungen seiner Olympiakandidaten mehr als zufrieden: „Die Pferde, die wir jetzt bei den Lehrgängen gesehen haben, sind in Topform. Wir stellen uns der Sache und wollen unsere Serie fortsetzen.“ Die Serie, das sind die Goldmedaillen bei den letzten Spielen, den Welt- und Europameisterschaften. Michael Jung, Deutschlands Überflieger in der Vielseitigkeit, hat seinen Wunschkandidaten bereits benannt: Er möchte in Rio seinen neunjährigen französischen Angloaraber fischerTakinou satteln, jenes Pferd, mit dem er im vergangenen Jahr die Europameisterschaft in Blair Castle gewonnen hatte. Auch für Ingrid Klimke steht schon fest: Für Rio plant sie vorrangig mit der zwölfjährigen Hannoveranerin SAP Escada FRH, ihr gleichaltriger Oldenburger Horseware Hale Bob OLD soll sich zunächst auf dem Kurs von Badminton beweisen. Doch erst mal muss die Nominierung erfolgen.

Die berühmte Christo-Statue und der Zuckerhut sind ein Muss für jeden Rio-Touristen.

Die Reitanlage aus der Vogelperspektive. Rund um das Stadion werden Tribünen für 14.000 Zuschauer errichtet.

Die olympische Reitanlage liegt in Deodoro, einem Militärareal im Norden der Metropole. Abb./Fotos (4): Rio 2016

Das olympische Dorf, in dem die Reiter und Trainer untergebracht sind, ist eine halbe Stunde Autofahrt von Deodoro entfernt.

Endlich Valegro schlagen

„Mannschafts-Gold und mindestens eine Einzelmedaille, am liebsten natürlich auch Gold“, gibt Monica Theodorescu die Devise aus. Die Bundestrainerin verfügt derzeit über etliche herausragende Paare. „Ich rechne in Rio mit einem Dreikampf zwischen Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Das wird sehr eng und spannend und wohl von der Tagesform abhängen.“ Kristina Bröring-Sprehe hat sich jedenfalls zum Ziel gesetzt, endlich die Britin Charlotte Dujardin und Valegro zu schlagen. „Ich will noch eine Schippe drauflegen“, verspricht sie. In Aachen bei der EM war das Paar schon ganz nah dran, Gold zu gewinnen.

Hochspannung ist auch im Parcours garantiert. Bundestrainer Otto Becker: „Bei uns liegen die Teams weit enger beieinander als in jeder anderen Pferdesportdisziplin. Auch wenn wir derzeit sehr gute Ergebnisse erzielen, hat das noch nicht allzu viel zu sagen. Eine gute Frühform nützt uns nichts.“ Für Becker wird‘s davon abhängen, die Pferde während der Saison so einzusetzen, dass sie frisch bleiben und in bester körperlicher Verfassung in Rio an den Start gehen können.

Ein weiteres Mal Olympia hat sich Ludger Beerbaum auf die Fahnen geschrieben. Der 52-jährige Riesenbecker, der 1988 erstmals in Seoul startete – und Mannschaftsgold gewann –, hat für Rio gleich zwei Eisen im Feuer: seine routinierte Holsteinerin Chiara, „meine erste Wahl“, und den vor einigen Monaten erworbenen Holsteiner Wallach Casello, der übrigens von der verstorbenen Vielseitigkeitslegende Herbert Blöcker gezogen wurde und unter dem schwedischen Reiter Douglas Lindelöw Platz neun in der Einzelwertung bei der EM 2015 in Aachen erzielte. Beerbaum will’s auf jeden Fall noch einmal wissen.

Dr. Angelika Trabert ist Deutschlands „dienstälteste“ Paralympics-Reiterin. Sie nahm seit 1996 an allen Spielen teil.

Mit Leihpferden am Start

Fast genauso lang wie Beerbaum ist Dr. Angelika Trabert dabei: Seit 1991 hat die Anästhesistin, die ohne Beine geboren wurde, über 20 Medaillen bei internationalen Para-Championaten gewonnen. Wie sehr sich der Sport der körperbehinderten Dressurreiter verändert hat machte, sie in der Pressekonferenz deutlich. Trabert, die seit Einführung der Reitwettbewerbe 1996 bei allen Paralympics am Start war, erzählte schmunzelnd: „Damals wurde noch mit Leihpferden gestartet, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Man hatte zwischen fünf und acht Tagen Zeit, sich auf ein Pferd einzustellen und gegebenenfalls einem Nicht-Dressurpferd noch etwas Dressur beizubringen.“

Susanne Hennig

Aktive und Trainer bei der Pressekonferenz: (v.l.) Ingrid Klimke, Hans Melzer, Julia Krajewski, Kristina Bröring-Sprehe, Sönke Rothen­berger, Monica Theodorescu, Otto Becker und Patrick Stühlmeyer.

Noch Zimmer frei

Wer die Olympischen Spiele live in Rio erleben möchte, kann sich noch kurzfristig zur PM-Reise anmelden. Einige wenige Zimmer sind noch frei vom 3. bis 10. August (Vielseitigkeit, 1.976 Euro/PM im DZ), vom 9. bis 16. August (Dressur, 1.981 Euro/PM im DZ) und vom 15. bis 21. August (Springen, 2.144Euro/PM im DZ).

 

Info/Anmeldung: FNticket&travel, Telefon 02581/6362-626, pm-reisen@fn-dokr.dewww.fn-travel.de

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