Vorheriger Artikel

Ausgabe 08/2019 Berufe rund ums Pferd: Der Hufschmied

Nächster Artikel

Ausgabe 08/2019 10 Tipps für mehr Punkte im Viereck

Ausbildung mit Wilfried Gehrmann

Longieren – aber sinnvoll!

Das Turnierwochenende war lang und anstrengend. Das Pferd wurde geimpft und soll nur leichte Arbeit leisten. Der Reiter ist durch eine Erkältung außer Gefecht und nicht in der Lage zu reiten. Die Lösung hängt in den meisten Sattelschränken, ist ca. neun Meter lang und hat eine Schlaufe am Ende – die Longe.
Alle Fotos: Antje Jandke
Fast jeder greift hin und wieder zur Longe, entweder um das Training zu unterstützen oder um eine Alternative zum Reiten zu schaffen. Und das aus gutem Grund, denn fachgerechtes Longieren stellt – wie auch die Arbeit an der Doppellonge, an der Hand oder am Langzügel – eine wertvolle Ergänzung zum Reiten dar. Was zu beachten ist, damit das Longieren gut gelingt, erläutert der Pferdewirtschaftsmeister und Experte fürs Longieren Wilfried Gehrmann im ersten Teil einer dreiteiligen Ausbildungsserie. 

Gewinnspiel

Exklusiv für Persönliche Mitglieder verlosen wir am Ende des Artikels ein Longier-Set bestehend aus einem Longiergurt und einer Longe von Waldhausen. Teilnahmeschluss ist der 25. August 2019.
Dabei sollte eine Trainingseinheit an der Longe nicht bloß als Bewegungstherapie verstanden und schon gar nicht „mal eben“ absolviert werden. Wie beim Reiten gilt, dass das Pferd zu Beginn der Trainingseinheit ca. zehn bis 15 Minuten aufgewärmt wird, worauf dann Lösungs-, Arbeits- und Erholungsphase folgen. Insgesamt sollte die Longier-Einheit nicht länger als 35 bis 40 Minuten dauern, da sich das Pferd konstant auf gebogener Linie bewegt und sein Bewegungsapparat dadurch höher belastet wird.

Der Experte

Manche rufen ihn nur den „Doppellongen-Papst“. Wilfried Gehrmann war 25 Jahre lang Leiter der Landesreit- und Fahrschule Rheinland. Er ist Inhaber des Deutschen Reitabzeichens in Gold, war langjähriges Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Berufsreiter im Deutschen Reiter- und Fahrer-Verband e.V., Richter mit höchsten nationalen Qualifikationen im Reiten und Fahren sowie Mitglied in vielen Prüfungsausschüssen. Über 90 Pferdewirt-Azubis verschiedener Fachrichtungen hat er ausgebildet. Er ist Mit-Autor des FN-Standardwerks „Richtlinien für Reiten und Fahren, Bd. 6: Longieren“ und Autor des Buches „Doppellonge – eine klassische Ausbildungsmethode“, erschienen im FNverlag.
Zur Ausrüstung des Longierenden gehören immer festes Schuhwerk und Handschuhe, außerdem eine Longe aus griffigem Material mit Handschlaufe und Karabinerhaken. Wirbelkarabiner sind nicht zu empfehlen, da sie beim Longieren Verdrehungen der Longe verursachen und das Pferdemaul stören. Neben der Ausrüstung ist auch auf die örtlichen Gegebenheiten zu achten: Longiert werden sollte nur auf einem rutschfesten, ebenen und trittsicheren Boden. Der Longierplatz sollte einen Mindestdurchmesser von 16 Metern haben und mit einer äußeren Begrenzung versehen sein, damit das Pferd nicht über die Schulter nach außen ausweichen kann.

Die Ausrüstung

Das Longieren mit Sattel ist grundsätzlich sinnvoll, da die Auflagefläche größer ist und sich der Druck besser verteilt. Außerdem lässt der Sattel, ganz im Gegensatz zu vielen Longiergurten, den Widerrist frei. Dabei sollten die Steigbügel entweder abgeschnallt oder wie hier auf dem Bild, fest fixiert werden, damit sie nicht herunterrutschen können.
Wird ein Longiergurt über den Sattel gelegt, bieten sich durch die zahlreichen Ringe unterschiedliche Verschnallmöglichkeiten für Hilfszügel. Außerdem ist dieser ebenso dienlich für die Doppellongen- und Langzügelarbeit. Bei diesem Longiergurt gewährleistet der obere Metallbügel eine optimale Widerristfreiheit, so dass er ohne Probleme auch ohne Sattel verwendet werden kann. Einfache „Laufgurte“, die keine spezielle Polsterung besitzen, sollten zum Wohle des Pferderückens immer über einen Sattel gelegt werden.

Vor Beginn

Zu Beginn des Longierens wird die Ausrüstung kontrolliert. Sitzt alles, sind Zügel und Bügel gesichert und die Hilfszügel korrekt befestigt? Die Länge der Hilfszügel kann der Longenführer am besten kontrollieren, indem er sich vor das Pferd stellt, beidseitig das Gebiss anfasst und den Kopf des Pferdes vorsichtig zu sich führt, bis die Hilfszügel beidseitig in gleichmäßiger, leichter Anlehnung anstehen. So erkennt er auch, ob die Hilfszügel gleichlang verschnallt sind.
Der innere Ausbinder kann nach der Lösungsphase bei Bedarf leicht verkürzt werden, um die Innenstellung zu unterstützen. Dann muss aber unbedingt bei jedem Handwechsel die Länge der Ausbinder angepasst werden. Häufige Handwechsel sind an der Longe besonders wichtig, um eine gleichmäßige Gymnastizierung zu gewährleisten. Vorbildlich auf diesem Bild zu sehen ist, dass der Longenführer die Longierpeitsche unter dem Arm trägt. Denn ein Aufnehmen der Peitsche vom Boden birgt ein hohes Gefahrenpotenzial für den Longenführer. Die korrekte Handhabung der Peitsche ist nicht ganz einfach und muss daher gut geübt werden. Schließlich dient auch das geschulte Handling der Peitsche der Sicherheit des Longenführers.

Der Schritt

Zu Beginn der Lösungsphase sollte das Pferd unausgebunden Schritt gehen, um in einer natürlichen Haltung zwanglos warm zu werden. Durch angemessenes Nach-treiben werden Takt, Fleiß und Raumgriff gefördert und erhalten. Werden im Laufe der Arbeitsphase Schrittreprisen eingelegt, so wie hier im Bild, sollten diese beim ausgebundenen Pferd nicht allzu lang sein oder die Hilfszügel für längere Schrittphasen deutlich verlängert werden. Neigt ein Pferd dazu, zu Anfang hektisch zu werden oder gar unkontrolliert loszulaufen, wird es zu Beginn im Schritt geführt. Auch Schritt gehen will gelernt sein und ist oft eine Erziehungssache.

Hilfszügel

Der einfache Ausbinder

Wird das Pferd vor dem Reiten longiert, um die Losgelassenheit zu fördern, werden neben den Steigbügeln auch die Zügel so fixiert, dass sie nicht störend herumbaumeln oder herunterrutschen können. Das Pferd ist mit einfachen Ausbindern lang genug ausgebunden. Der einfache Ausbinder bringt das Pferd in einen sicheren Rahmen und fördert eine gleichmäßige Anlehnung.
Ein absolutes Tabu ist das „mal eben“ ausbinden mit den Trensenzügeln, welche an den Gurtstrupfen verknotet werden. Zum einen sind die Trensenzügel generell zu kurz zum Ausbinden und das Pferd wird bereits in der Aufwärmphase viel zu eng eingestellt und kommt mit der Nasen-Stirnlinie hinter die Senkrechte. Zum anderen werden die „Knoten“ nie so gleichmäßig angezogen, dass das Pferd gleichmäßig ans Gebiss herantreten kann. Nach einer solch schlechten und falschen Aufwärmphase wird sich kaum ein Reitpferd losgelassen und schwungvoll unter seinem Reiter bewegen. Der Longenführer rahmt das Pferd stets mit Longe und Peitsche ein. Die Peitsche zeigt Richtung Sprunggelenk und kann bei Bedarf die Hinterhand aktivieren. Die Peitsche sollte so lang sein, dass das Pferd mit geringem Aufwand und mit leichten Hilfen sowohl treibend, als auch nach außen weisend erreicht werden kann. Aber Achtung: Alle Hilfen, die nicht gezielt im richtigen Moment oder zu häufig eingesetzt werden, verfehlen ihre Wirkung und stumpfen das Pferd ab. Dies gilt ebenfalls für die Stimmhilfe – effektiv sind nur gezielte und klare Kommandos. Dabei ist nicht die Lautstärke, sondern die Tonlage entscheidend. Auch beim Longieren gilt: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Der Dreieckszügel

Dieser Hilfszügel eignet sich besonders für Pferde, deren Rückentätigkeit gefördert werden soll. Durch die Verschnallung zwischen den Vorderbeinen, durch die Gebissringe hindurch nach seitlich links und rechts an den Longiergurt hat das Pferd die Möglichkeit, sich vorwärts-abwärts an das Gebiss heranzudehnen. Es sollte generell auf den Fleiß geachtet werden, um die Dynamik der Bewegung und die Aktivität der Hinterhand zu erhalten. So wird verhindert, dass das Pferd im Verlauf auf die Vorhand kommt. Takt, Losgelassenheit und Anlehnung sind neben einem guten Gleichgewicht auch an der Longe das A und O.

Der Laufferzügel

Dieser Hilfszügel bietet durch die unterschiedlichen Verschnallungsmöglichkeiten ein großes Einsatzgebiet. Die beiden etwa 2,5 m langen Riemen haben an jedem Ende Schnallvorrichtungen. So kann der Laufferzügel zum Beispiel zu Beginn genauso wie ein Dreieckszügel verschnallt werden, um die Losgelassenheit und die Dehnungsbereitschaft zu fördern. Die seitliche Verschnallung stellt dann die geeignete Variante für eine individuell gestaltete Arbeitsphase dar. Der untere Teil des Riemens wird in etwa in Höhe des Buggelenks befestigt. Der Zügel führt dann durch den Trensenring zurück zum Gurt, so dass der Laufferzügel mit dem Longiergurt ein kleines Dreieck bildet. Die seitliche Führung des Laufferzügels ermöglicht ein Longieren in Arbeitshaltung mit dem Genick als höchstem Punkt und der Nasen-Stirn-Linie an der Senkrechten.
Je nach Ausbildungsstand des Pferdes und dem Geschick des Longenführers, kann mit einem höher verschnallten Dreieck die Vorstufe der Versammlung erarbeitet werden. Das Pferd soll hier in einer sicheren Selbsthaltung gearbeitet werden. Ein Pferd, das unter Zwang gearbeitet wird, kommt weder an der Longe, noch unter dem Reiter zu Losgelassenheit und verliert auf Dauer das Vertrauen zum Menschen.

Longieren über Stangen

Stangen, Bodenricks und Cavaletti sind eine willkommene Abwechslung im Arbeitsalltag bzw. im Trainingsplan eines Pferdes. Mit ihrer Hilfe lassen sich Körperkoordination, Beweglichkeit, Geschmeidigkeit und Losgelassenheit verbessern. Das Pferd muss energisch abfußen – durch den höheren Fußungsbogen wird ein aktives Hinterbein gefördert. Dabei ist stets auf passende Abstände zu achten, um dem Pferd ein harmonisches Bewältigen der Aufgabe zu ermöglichen.

„No-goes“ beim Verschnallen der Longe

Wird die Longe durch den inneren Gebissring, unter dem Kinn zum äußeren Gebissring geführt, erzielt man regelrecht eine Knebelwirkung, die das Gebiss schmerzhaft gegen den Gaumen und auf die Unterkieferäste drückt (oben links). Bei der Verwendung einer Longierbrille wirkt die Longe ausschließlich auf den äußeren Gebissring. Der Kopf des Pferdes wird auf der gebogenen Zirkellinie damit nach außen gezogen, das Pferd verwirft sich im Genick und wehrt sich gegen die unsachgemäße Einwirkung (oben rechts). Die von innen durch den Trensenring, über das Genick zum äußeren Trensenring geführte Longe zieht die Lefzen hoch und übt unnötigen Druck auf das Genick des Pferdes aus. Die Folgen sind häufig ein Verwerfen im Genick und Widerstand gegen die Longe (links)..

Tipps des Experten um das Pferdemaul zu schonen:

Die Longe wird in den inneren Gebissring und den Kinnriemen des kombinierten Reithalfters bzw. in den kleinen Ring beim hannoverschen Reithalfter eingehängt. Ebenso kann man ein gut sitzendes Halfter über die Trense anlegen und die Longe am inneren Gebissring und an der inneren Öse des Halfters einhängen. Diese Art der Verschnallung ist häufig das Mittel der Wahl bei der Ausbildung junger Pferde. Auch die Verwendung eines Kappzaums hat sich bewährt. Der Kappzaum ist ein spezielles Halfter mit einem gepolsterten Bügel, der auf dem Nasenbein liegt und an dem mehrere Ringe befestigt sind. In der Regel wird der mittlere Ring zur Befestigung der Longe gewählt. Man kann den Kappzaum über dem Trensenzaum verschnallen. Manche Kappzäume sind auch mit einer Gebisseinschnallung versehen, welche den zusätzlichen Trensenzaum nicht mehr zwingend erforderlich machen. Die Ausbildung des Pferdes hin und wieder mit der Arbeit an der einfachen Longe zu ergänzen, macht durchaus Sinn. Der Reiter sieht sein Pferd vom Boden aus und erkennt, inwieweit das Pferd sich im Hinblick auf die Muskulatur, die Rückentätigkeit und die Körperhaltung positiv weiterentwickelt hat. So kann er seine bisherige Arbeit reflektieren. Insbesondere bei der Ausbildung von jungen Pferden oder Pferden mit Exterieurmängeln leistet die Longe gute Dienste. In der Hand eines einfühlsamen Longierenden kann das Longieren von hohem Wert sein. Wird es aber falsch durchgeführt, so wird – genau wie beim Reiten – dem Pferd mehr geschadet, als in seiner Ausbildung weitergeholfen. Text: Wilfried Gehrmann/Antje Jandke

In Teil 2 der Ausbildungsserie mit Wilfried Gehrmann geht es im nächsten PM-Forum um die Arbeit an der Doppellonge.

PM-Forum Digital Gewinnspiel

Exklusiv für Persönliche Mitglieder verlosen wir an dieser Stelle ein Longier-Set bestehend aus einem Longiergurt und einer Longe von Waldhausen. Um teilzunehmen, einfach das unten stehende Teilnahmeformular ausfüllen. Das Gewinnspiel beginnt am 26. Juli 2019, Teilnahmeschluss ist der 25. August 2019. Die Teilnahmebedingungen sind hier einzusehen.

Vorheriger Artikel

Ausgabe 08/2019 Berufe rund ums Pferd: Der Hufschmied

Nächster Artikel

Ausgabe 08/2019 10 Tipps für mehr Punkte im Viereck