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Kommunikation zwischen Pferd und Mensch

Die Sprache der Pferde

Kommunikation, so lautet heute das große Stichwort, wenn es um die Pferd-Mensch-Beziehung geht. Kommunikation beim Umgang oder beim Reiten, Kommunikation zwischen Pferd und Mensch, Kommunikation als Heilsversprechen für alle Probleme und Problemchen. Doch was verbirgt sich überhaupt dahinter und vor allem, was macht gute oder weniger gute Kommunikation aus? Ausbilderin, Sportwissenschaftlerin und Fachbuchautorin Dr. Britta Schöffmann durchleuchtet das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Stimmen Chemie und Kommunikation, können Pferd und Mensch ziemlich beste Freunde sein – dennoch ersetzt der Mensch niemals den Kontakt zu Artgenossen. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Eigentlich ist es ganz simpel: Unter Kommunikation versteht man, ganz grob gesagt, die Verständigung durch Sprache und Zeichen. Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert und vielschichtig geht? Und deshalb befasst sich gleich ein ganzer Wissenschaftszweig, nämlich die Kommunikationswissenschaft, mit den Inhalten und Geheimnissen von Kommunikation. Da fallen dann Begriffe wie handlungstheoretische, problemtheoretische oder auch verhaltenstheoretische Grundannahmen, da gibt es Kommunikationsmodelle und Kommunikationsprobleme, ja selbst die digitale Kommunikation ist in modernen Zeiten in den Fokus geraten.

Alles einfach, oder doch nicht?

Wie gut, dass zwischen Pferd und Mensch die Verständigung so einfach ist. Oder vielleicht doch nicht? Schaut man ins Internet, finden sich bei Google knapp sechs Millionen Einträge zur Stichwortkombination „Kommunikation Pferd-Mensch“ und sogar acht Millionen zu „Kommunikation Pferd-Reiter“. Doch nicht alles, was sich hinter diesen millionenfachen Links verbirgt (zum Vergleich: die Suche „reiterliche Ausbildung“ kommt lediglich auf magere 122.000 Einträge), ist seriös. In kaum einem anderen Genre rund ums Pferd tummeln sich so viele Gurus, wird so viel (teuer) versprochen und wenig gehalten. Da wird mit Pferden gesprochen, geflüstert, geatmet oder getrommelt, da werden Hände aufgelegt oder Methoden beworben, deren Bezeichnungen schon mehr von verkäuferischer Kreativität als von seriöser Fachlichkeit zeugen.

Selbst Gedankenlesen zwischen Pferd und Mensch wird von zweifelhaften „Experten“ als für jedermann erlernbar offeriert. Dabei hat das, was zwischen Pferd und Pferd oder zwischen Pferd und Mensch abläuft, nichts mit Telepathie zu tun, sondern mit Verstehen und Verständnis feiner und feinster Signale. Um diese Signale zu bemerken, ihre Bedeutung sowie ihre Wirkung zu kennen und dann gezielt einsetzen zu können, bedarf es guter Beobachtungsgabe und jeder Menge Wissen über die Natur und die Bedürfnisse des Gegenübers.

Seh- und Hörvermögen des Pferdes unterscheiden sich von dem des Menschen. Dadurch kann es zu Missverständnissen kommen, wenn sich der Mensch nicht gut genug mit der Natur des Pferdes auskennt. Foto: Christiane Slawik

Von Pferd zu Pferd

Pferde untereinander kommunizieren via Körpersprache aber auch via Stimme. Da wird gebrummelt, gewiehert und gequietscht und jede Lautäußerung hat ihre Bedeutung. Pferde lernen mit der Zeit, nicht nur die einzelnen Geräusche einem bestimmten Pferd zuzuordnen – bestes Beispiel sind hier die Rufe zwischen Mutterstute und Fohlen, sie lernen auch, was welche Stimmlage, welche Äußerung oder welche Tonhöhe heißt. Ganz schön clever. Noch bedeutender für den Umgang miteinander ist jedoch die Körpersprache der Pferde, die von sehr grob bis äußerst subtil eingesetzt wird. Ein Biss oder ein Tritt fallen da unter die Kategorie „grob, aber eindeutig“, die etwas abgeschwächten Varianten wie Ohren anlegen, mit einem Vorderbein aufstampfen oder hektisches Schweifschlagen sind ebenfalls gut zu erkennen. Doch Pferde kommunizieren auch noch viel feiner. Ein Mehr oder Weniger an Körperspannung, eine leicht veränderte Atmung, eine angespannte Gesichtsmuskulatur, ein minimal angehobener oder gesenkter Hals, ein Erstarren – all das verrät einem Pferd viel über seine Pferdekumpels und bestimmt darüber auch das eigene Verhalten.

Was Körpersprache aussagt

Und genau hier kommen wir an einen Knackpunkt in der Pferd-Mensch-Beziehung. Da Körpersprache einen Großteil der Kommunikation der Pferde ausmacht, sind sie es als Herdentiere gewohnt, ihr Gegenüber intensiv zu beobachten und so dessen Körpersprache zu lesen, einzuordnen und sich dementsprechend zu verhalten. Der moderne Mensch dagegen nutzt in erster Linie seine Stimme zur Kommunikation, körpersprachliche Aktionen sind im Laufe der Jahrtausende in den Hintergrund getreten. In Zeiten von Telefonie und Internet lässt sich beinahe „körperlos“ kommunizieren, zumindest von Mensch zu Mensch. Dabei passiert auch bei uns körpersprachlich viel mehr, als wir ahnen. Denn auch bei uns sind es nicht nur die gut sichtbaren Aktionen wie Gestik oder deutliche Mimik, die viel über uns verraten, sondern auch Dinge wie Körperhaltung, Körperspannung, Armhaltung, Schrittlänge und -geschwindigkeit, Atmung oder allein auch schon die Art, wie wir unseren Kopf tragen oder unseren Blick richten.

Pferde kommunizieren untereinander via Körpersprache – von grob bis äußerst subtil. Bisse und Tritte fallen in erstere Kategorie. Foto: Christiane Slawik

Pferde lernen mit der Zeit, Geräusche zuzuordnen. Bestes Beispiel sind die Rufe zwischen Fohlen und Mutterstute. Foto: Christiane Slawik

Missverständnisse

Was das Lesen dieser körpersprachlichen Signale angeht, sind uns Pferde um einiges voraus. Dumm nur, dass das, was der Mensch körperlich ausstrahlt, sich nicht immer mit dem deckt, was er denkt oder sagt und deshalb vom Tier missverstanden wird. Bestes Beispiel, diesmal aus der Welt der Hunde: Ein großer, womöglich dunkel gekleideter Mensch beugt sich von oben über einen kleinen, ängstlichen Hund, um ihn mit den Worten „du brauchst keine Angst zu haben“ anzufassen. Das Verbale versteht der Hund nicht, wohl aber das Körpersprachliche – und das ist Bedrohung pur. Im günstigsten Fall läuft der Hund weg und erntet ein verständnisloses „Warum läufst du denn weg, du dummes Tier?“, im ungünstigsten Fall antwortet er auf den vermeintlichen Angriff mit Beißen und gilt als hinterlistig und gefährlich. Ein Kommunikationsmissverständnis wie es im Buche steht!

Natur des Pferdes

Eine gute Kommunikation zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass beide Seiten einen Weg gemeinsamer Verständigung finden. Das heißt: Beide müssen etwas vom anderen und über den anderen lernen. Da wir vom Pferd etwas wollen, ist es zunächst einmal an uns zu lernen. Dazu gehören Themen wie „Was braucht ein Pferd?“, „Was macht die Natur eines Pferdes aus?“, „Wie kommunizieren Pferde untereinander?“ und „Wie lernen Pferde?“. Die Antwort auf die erste Frage lernen Reitschüler meist schon recht früh, spätestens im Theorieunterricht beim Ablegen eines Reitabzeichens. Pferde brauchen neben Futter und Wasser vor allem Licht, Luft, Bewegung und Sozialkontakte.

Begriffe, die schnell auswendig gelernt sind. Was aber heißt das eigentlich? „Mögen“ Pferde diese Dinge? Ja. Aber es ist noch viel mehr als „mögen“. Es sind lebenswichtige Grundbedürfnisse, die erfüllt werden müssen. Sowohl Anatomie als auch Physiologie des Steppentieres Pferd, also seine biologische Ausstattung, ist seit Jahrtausenden darauf ausgerichtet, sich viel bewegen und die Lungen mit viel Sauerstoff durchlüften zu können sowie einen klar erkennbaren Tag-Nacht-Rhythmus zu durchleben. Die seit Entstehung der Erde wie ein Wimpernschlag anmutende Zeit des Pferdes in der Obhut des Menschen hat daran nichts geändert.

Eine klare Körpersprache des Menschen bei der Bodenarbeit ist wichtig für eine funktionierende Pferd-Mensch-Beziehung. Fotos: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Bedürfnisse beachten

Auch die Bedeutung von Sozialkontakten darf nicht unterschätzt werden, denn das Pferd als Herdentier ist mit seiner ganzen Psyche darauf ausgerichtet. Es lernt von seinen Artgenossen, es braucht seine Artgenossen und es braucht seinen Platz in der Gruppe. Ein Herdentier – und dazu zählen auch die Menschen – kann auf Dauer nicht ohne Sozialkontakte. Ohne kommt es, bei Pferd wie bei Mensch, zu Verhaltensstörungen mit allen ihren Folgen. Auch wenn der Mensch durchaus zum Freund seines Pferdes werden kann, ersetzen kann er den Kontakt zu Artgenossen nicht. Die Frage nach der Natur des Pferdes hängt eng mit seinen Bedürfnissen zusammen. Hinzu kommen aber noch alle anderen Gegebenheiten, die das Pferd als Lebewesen ausmachen. Seine Fähigkeit zum Beispiel, durch die große Beweglichkeit seiner Ohren Geräusche aus allen Richtungen gut wahrzunehmen.

Durch stufenweise Desensibilisierung lernt das Pferd Dinge kennen, die in seiner natürlichen Umgebung normalerweise nicht vorkommen. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Sein Sehvermögen, das sich aus seinem Ursprung als Steppentier entwickelt hat und auch besonders gut Bewegungen in weiter Entfernung wahrnimmt. Während der Reiter seinen Blick beispielsweise auf den nächsten Bahnpunkt am Dressurviereck und die paar Meter vor sich richtet, bemerkt sein Pferd auch den Fußgänger mit Hund am Horizont. Zur Natur des Pferdes gehört es auch, in einer solchen Situation vielleicht mit Aufmerksamkeit, Ängstlichkeit oder gar Flucht zu reagieren. Immerhin könnte es sich ja um eine Gefahr handeln. All das sollte der Mensch wissen, wenn er mit einem Pferd umgeht und mit ihm kommunizieren möchte.

Umgang als Kommunikation

Die Kommunikation selbst geschieht dann, wie schon erwähnt, über Körpersprache und Signale. Erstere müssen ausgewachsene Pferde nicht mehr erlernen, wohl aber der Mensch. Schon die Art, wie ich auf ein Pferd zugehe, wie ich es anfasse, aufhalftere oder führe, ist eine Frage von Körpersprache. Das sicher beste Mittel, dies zu erlernen, bietet die Bodenarbeit mit dem Pferd. Seit 2014 auch im Ausbildungssystem der FN verankert, bietet Bodenarbeit für Reiter und Nichtreiter eine tolle Möglichkeit, mit dem Pferd besser und vor allem sicherer klarzukommen. Es geht dabei weniger darum, dem Pferd Tricks am Boden beizubringen, als sich selbst und auch das Pferd besser kennenzulernen und zu seinem verlässlichen Partner zu werden. Auch hier ist das Pferd, ebenso wie unter dem Reiter, ein Spiegelbild des Menschen. Ein unsicherer Mensch kann dem Pferd keine Sicherheit geben, einem groben Menschen wird das Pferd kein Vertrauen entgegenbringen, bei einem brutalen vermutlich eher Angst oder Aggressivität entwickeln.

Auch im Falle eines Notfalls wichtig: Ein Pferd, das sich problemlos verladen lässt. Foto: Jana Gerstenkorn/FN-Archiv

So harmonisch ist es ideal. Ein Pferd, das sich nicht problemlos zur Weide führen lässt, ist ein Sicherheitsrisiko. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Eine Frage der Sicherheit

Dabei ist es enorm wichtig, dass sich das Pferd der Führung bzw. Leitung durch den Menschen vertrauensvoll unterordnet. Immerhin bringt das ausgewachsene Fluchttier rund 600 bis 700 Kilogramm auf die Waage, und selbst ein Pony könnte einen Menschen problemlos von den Füßen ziehen. Es ist also, neben allen ethischen Fragen mit Inhalten wie Verantwortung, Tierliebe und Achtung vor der Kreatur, und dem Wunsch nach einem harmonischen Miteinander, auch eine Frage der Sicherheit – für beide Seiten. Ein Pferd, das sich nicht problemlos zur Weide führen lässt, könnte auskeilen und den Menschen verletzen oder gar töten, es könnte sich aber auch losreißen und auf die Straße laufen und dort sich und andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Ein Pferd, das sich nicht verladen lässt – und auch das gehört zum Handling am Boden – könnte im Notfall auch nicht zur Tierklinik gefahren werden.

Führung übernehmen

Die Bodenarbeit und das darin enthaltene Führtraining nehmen deshalb eine besonders wichtige Rolle ein. Ein Pferd zu führen, heißt Führung zu übernehmen, so wie ein Leittier in der Gruppe die anderen führt. Neben dem Pferd mit hängenden Schultern herzuschleichen, dabei womöglich aufs Handy zu schauen oder sonst wie abgelenkt zu sein, macht einen nicht zum Team-Leader. Je besser ich dagegen führe, je mehr ich in der Lage bin, durch Auftreten, Körpersprache und klare Signale zu vermitteln, dass ich weiß, was ich tue, desto eher baue ich beim Pferd Respekt und Vertrauen auf. Darüber hinaus lernt es auch, auf meine Signale zu reagieren, sie zu verstehen und sich auf den Menschen zu konzentrieren – etwas, das später bei der Arbeit im Sattel sehr hilfreich ist.

Das 1×1 der Bodenarbeit

Der Alltagsumgang mit dem Pferd vom Boden aus kann als „kleines 1×1 der Bodenarbeit“ bezeichnet werden. Annähern, Aufhalftern, Führen (aus der Box, zur Weide etc.), Anbinden, weichen lassen, andere Pferde passieren lassen – all diese Tätigkeiten gehören zum täglichen Ablauf mit einem Pferd. Bereits hier haben Auftreten, Körpersprache und Wissen um die Natur des Pferdes eine große Bedeutung für eine konfliktfreie und somit sichere Zusammenarbeit.

Auch alltägliche Dinge wie das Aufhalftern gehören zum 1×1 der Bodenarbeit. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Bewusst verbessern und damit auch wieder auf den Alltag übertragen, lässt sich dies durch das „große 1×1 der Bodenarbeit“, die geführte Bodenarbeit, das weiterführende Führtraining und – quasi als Königsdisziplinen – die Langzügel- oder gar die seillose Freiarbeit. Wichtig hierbei sind zunächst der passende Trainingsort (Halle, eingezäunter Platz) sowie die korrekte Ausrüstung (feste Schuhe, Handschuhe, Führstrick, Halfter oder Trense, Gerte) und – bei mehreren Pferden im Bodenarbeitstraining – ein entsprechender Sicherheitsabstand. Mögliche Übungen (wie beim Reiten geht man auch bei der Bodenarbeit nach dem Prinzip „vom Leichten zum Schweren“ vor) sind: Tempo-, Gangmaß- und Gangartenwechsel, Anhalten/Stehenbleiben/Anführen, Rückwärtstreten lassen, seitliches Weichen um Vor- und/oder Hinterhand, Seitwärtsweichen, Slalom, Führen über Stangen, Führen im Geschicklichkeitsparcours.

Tipp: Wer sich hier genauer informieren möchte, findet im Buch „Pferde verstehen – Umgang und Bodenarbeit“ (ISBN 978-3-88542-793-3) aus dem FNverlag nicht nur viele Übungsbeispiele, sondern auch ganz viel Wissenswertes über die Natur des Pferdes und sein Lernverhalten.

Lernen als Gewöhnung

Mit der Frage, wie Pferde überhaupt lernen, hat sich inzwischen auch die Wissenschaft beschäftigt. Man weiß heute, dass sie durchaus sehr lernfähig sind, dass sie sogar von ihren Artgenossen durch Beobachten und Imitieren lernen. Das heißt natürlich nicht, dass man ihnen nur einen Grand Prix oder eine kniffelige Parcoursrunde zu zeigen braucht und schon können sie das nachmachen. So einfach ist die Sache mit dem Lernen dann doch nicht. Lernen in diesem Zusammenhang geschieht vielmehr vor allem über Gewöhnung und über positive und negative Verstärkung. Gewöhnt wird ein Pferd an all die Dinge in seinem Umfeld, die in seiner natürlichen Umgebung normalerweise nicht vorkommen, Dinge wie Lärm, Autos, Hunde oder Ähnliches, aber auch Halfter, Trense, Sattel und Reitergewicht. Bei der Gewöhnung, meist über Desensibilisierung (häppchenweises „vertraut machen“), lernt ein Pferd, eben nicht mehr seiner Natur als Fluchttier gehorchend, zu reagieren.

Die Sache mit dem Druck

Was die reiterliche Hilfengebung angeht, möchte man genau das Gegenteil. Hier soll ein Pferd lernen, auf die Hilfen des Reiters sensibel und umgehend zu reagieren. Dabei wirken die Zügel- und die Schenkelhilfen über mechanischen Druck im Sinne negativer Verstärkung. Negativ ist in der Wissenschaft keine Wertung, sondern bedeutet, dass etwas, hier der Zügel- oder Schenkeldruck, weggenommen wird. Das geschieht genau in dem Moment, in dem das Pferd auf den etwas erhöhten Zügeloder Schenkeldruck wie gewünscht reagiert. Mit der Zeit lernt ein Pferd, was es wann und in welcher Intensität auf diese Druckveränderungen tun soll – vorausgesetzt der Reiter ist auch technisch in der Lage, so zu agieren, dass seine Hilfen im richtigen Moment, eindeutig, angemessen und unverwechselbar gesetzt werden können. Der ausbalancierte Reitersitz, bei dem weder Beine noch Hände unkontrolliert wackeln und Druckveränderungen ohne sinnvollen Zusammenhang verursachen, ist dafür absolute Voraussetzung.

Positiv und negativ

Viele Reiter würden mit ihrem Pferd am liebsten immer nur via positiver Verstärkung kommunizieren, wobei manche positiv mit etwas Angenehmen und Schönen verwechseln. Dabei bezeichnet die Verhaltensforschung mit positiv lediglich, dass etwas hinzugefügt wird. Das kann eine Futterbelohnung oder ein Lob (Tätscheln, Fellkraulen, Stimmhilfe) sein – es kann aber auch eine Strafe sein, denn auch hier gibt es den Unterschied zwischen positiver und negativer Strafe. Die positive Verstärkung ist letztlich beinahe nur bei der Bodenarbeit möglich, unterm Sattel steht die negative Verstärkung (in Form von Druck bzw. Wegnehmen von Druck) im Vordergrund. Und je besser das Pferd diese Art von Kommunikation gelernt und verstanden hat, desto harmonischer wird die gegenseitige Verständigung funktionieren.

Dr. Britta Schöffmann

Ob beim Reiten oder im Umgang: Loben ist eine positive Verstärkung. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

Typische Kommunikationsfehler

  • Vermenschlichung des Pferdes, vor allem in Richtung des Denkens/Planens. Pferde verfügen nicht über die Fähigkeit, vorausschauend zu planen und sich die Zukunft auszumalen. „Der hat sich heute wieder vorgenommen, mich zu ärgern.“ – Aussagen wie diese setzen einen Vorsatz voraus, den ein Pferd aber nicht fassen kann, da bei ihm der dafür zuständige Hirnbereich (präfrontaler Kortex) kaum ausgebildet ist.

Unerwünscht: Das Pferd scharrt. Bekommt es nun Aufmerksamkeit und sei es durch Schimpfen, ist dies eine positive Verstärkung des Verhaltens. Besser: Einfach weggehen und Zuwendung so entziehen. Foto: Christiane Slawik

  • Unklare Signal-/Hilfengebung. Pferde sind nicht in der Lage, so wie Menschen zu interpretieren. Ein „Fehlverhalten“ wird vom Menschen oft als „Nichtwollen“ eingeordnet, dabei bedeutet es lediglich „nicht verstanden, weil nicht eindeutig formuliert“.
  • Bestrafung für fehlerhafte Ausführung von Aufgabenstellungen, Lektionen etc. sind vollkommen sinnlos und sogar kontraproduktiv, denn Pferde kennen kein „Falsch“ und kein „Richtig“.
  • Belohnung für unerwünschtes Verhalten. Ganz typisch: Das scharrende Pferd (an der Boxentür, am Sattelplatz). Die falsche, aber oft zu beobachtende Reaktion des Menschen: Schimpfen, zum Pferd hingehen und es tätscheln, ihm einen vermeintlich strafenden Klaps oder gar ein Leckerli geben. All diese Aktionen fallen in den Bereich „positive Verstärkung“ (Futter, soziale Zuwendung). Besser wäre, einfach wegzugehen und so negativ zu bestrafen, also etwas wegzunehmen – in diesem Fall Aufmerksamkeit und Zuwendung.

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