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WEG – Gigantismus Marke USA

Worauf Reiter in den Sommermonaten achten sollten

Coole Tipps für heiße Tage

Für viele Pferdesportler gibt es nichts Schöneres, als an lauen Sommerabenden ausgiebig auszureiten oder auf dem Außenplatz zu trainieren. Doch so schön diese Jahreszeit ist, sie stellt besondere Ansprüche an Reiter und Pferd. Wenn die Temperaturen steigen, sollte man es mit den Aktivitäten nicht übertreiben – im Sinne von Mensch und Pferd.

Diesen Luxus haben nur sehr, sehr wenige Reiter: Einen Badesee, in dem sie sich gemeinsam mit ihren Pferden eine Abkühlung gönnen können. Foto: Sorge/Bronkhorst

„Bei 25 Grad und mehr sollte das Training bis 11 Uhr erledigt sein oder in die späten Abendstunden verlegt werden“, sagt Dr. Jörg Jähn, Leiter der Tierklinik Königslutter. Anders als beim Menschen liegt die Wohlfühltemperatur bei Warmblütern lediglich bei zehn bis 20 Grad, Araber mögen es etwas wärmer, Robustrassen noch deutlich kühler. „Bei welchen Temperaturen sich das einzelne Pferd am wohlsten fühlt, ist typ- und rasseabhängig, die Fellfarbe hingegen spielt keine Rolle“, so der Experte. Das Training sollte also individuell gestaltet werden. Viele Leistungssportler nutzen eine regelmäßige und standardisierte Pulsmessung zur Trainingskontrolle. Mittels Überwachung der Herzfrequenz lässt sich schnell feststellen, wann ein Pferd Erholung braucht. „Am einfachsten geht das mit digitalen Messgeräten, die inzwischen in großer Anzahl auf dem Markt erhältlich sind“, erklärt Dr. Jähn. Mit der Hand kann man den Puls am einfachsten am Röhrbein erfühlen. „Der Pulsschlag ist natürlich abhängig vom Trainingszustand des Pferdes, doch es gibt ein Faustregel: Die normale Pulsfrequenz sollte bei einem 45-minütigen Dressurtraining zwischen 80 und 120 liegen. Keinesfalls darf der Wert von 200 überschritten werden“.

Gut zu wissen:

Die PAT-Werte

• Puls (Pferd) Ruhezustand: 28-40; bei großer Anstrengung: bis zu 220 Herzschläge/Min.
• Atmung (Pferd) Ruhezustand: 8-16; bei großer Anstrengung: bis zu 80-100 Atemzüge/Min.
• Temperatur (Pferd) Ruhezustand: 37,5-38,0˚C; bei großer Anstrengung max. 41,0˚C

Quelle: Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 4, FNverlag, Warendorf

Hohe Temperaturen in Kombination mit einer hohen Luftfeuchte sind besonders fatal: Der Organismus versucht durch starke Schweißproduktion den Körper zu kühlen, aufgrund der gesättigten Luft kann die Feuchtigkeit jedoch nicht verdunsten, es kommt zum Hitzschlag. „Die Pferde sind matt, sie pumpen und taumeln, haben Fieber. Die Anzeichen muss man erkennen und schnellstens einen Tierarzt rufen“, sagt Dr. Jähn. Bis zu dessen Eintreffen sollte das Pferd möglichst in den Schatten gestellt werden, mittels feuchter Handtücher oder einem Ventilator kann man ihm Kühlung verschaffen. „Ganz wichtig ist es, das Pferd dosiert zu tränken. Es darf auf keinen Fall gleich ein oder zwei Eimer Wasser saufen. Ein halber Eimer, Pause, dann wieder ein halber Eimer. Und das Wasser sollte möglichst lauwarm sein“. Das gilt auch für den Fall, dass ein Pferd dehydriert ist. Pferde regulieren ihre Körpertemperatur durch Schwitzen. Um den Körper zu kühlen, werden große Mengen an Flüssigkeit abgegeben – bei intensivem Training kann der Wasserverlust bis zu 60 Liter und mehr betragen.

Ob ein Pferd ausgetrocknet ist, lässt sich relativ leicht mit dem Hautfaltentest überprüfen: Dabei zieht man beispielsweise an der Schulter eine Hautfalte nach oben und lässt sie wieder los. Innerhalb weniger Sekunden sollte sich die Haut wieder glätten. Dauert es länger, kann das auf eine gefährliche Austrocknung hindeuten. Mit dem Schweiß verliert das Pferd auch Salze – genauer gesagt Natriumchloride. Diese müssen von außen wieder ersetzt werden – meist erfolgt dies über einen Leckstein. „Schauen Sie sich die Zusammensetzung genau an“, rät Dr. Jähn. „Das Pferd braucht nur Natrium und Chlorid. Alle anderen Salze, die in manchen Lecksteinen enthalten sind, sind unnötig“. Salz per Hand mit der Fütterung zu ergänzen, sieht der Tierarzt kritisch: „Hier besteht durchaus eine Gefahr der Überdosierung und das kann schädlich sein“.

Wenn Pferde auf Turnieren oder Reisen ungern aus fremden Behältern anders schmeckendes Wasser trinken, hilft es, sie bereits zu Hause an Apfelsaft zu gewöhnen. Den muss man dann allerdings unterwegs dabei haben. Foto: Sorge/Bronkhorst

Beim Schwitzen verliert das Pferd auch Salze, konkret Natriumchloride. Sie können durch einen Leckstein ersetzt werden. Foto: Sorge/Bronkhorst

Mit Apfelsaft mischen

Austrocknung, Hitzschlag – diese Gefahren lassen sich durch moderates Training bei sommerlichen Temperaturen vermeiden. Doch manchmal lässt sich ein Ritt in der prallen Mittagshitze nicht vermeiden. Beispielsweise auf einem Turnier, hier sind von Pferd und Reiter Top-Leistungen gefordert. „Auf den Turnierplätzen sieht man leider oft unschöne Bilder und gewinnt gelegentlich den Eindruck, dass sich so mancher Reiter gar keinen ‚Kopf‘ darüber macht, dass hohe Temperaturen besondere Verhaltensweisen und auch ein spezielles Management erfordern“, sagt Dr. Jähn. Für ihn, der nicht nur Mannschaftstierarzt der Kaderfahrer ist, sondern auch mit reitenden Töchtern auf Turniere fährt, beginnt der sommerliche Turniertag schon zu Hause. „Mit einem Blick auf die Wettervorhersage und die Zeiteinteilung kann man sich entsprechend einrichten“. Das Wasser nimmt Familie Jähn ebenso wie den Wassertrog immer von zu Hause mit. „Viele Pferde mögen kein fremdes Wasser saufen, manche mögen auch keine fremden Eimer oder Tröge“.

Bei mehrtägigen Veranstaltungen ist es natürlich nicht ganz so einfach, ausreichend eigenes Wasser dabei zu haben. Mit einem Trick kann man Pferde daran gewöhnen, auch fremd-schmeckendes Wasser zu trinken: Man mischt schon zu Hause Apfelsaft unter das Wasser und muss dann nur noch genügend Apfelsaft dabei haben. Auch sehr flüssig angerührtes Mash hilft, wenn Pferde die Wasseraufnahme verweigern. Elektrolyte sind nur dann sinnvoll, wenn das Pferd daran gewöhnt ist. „Der Speicher für Elektrolyte sollte schon vor dem Turnier gefüllt sein“, sagt Dr. Jähn.

Wichtigste Utensilien für die „Stallapotheke unterwegs“ sind ein Fieberthermometer, Mittel zur Wundversorgung und -pflege und Fliegenspray.

Tierarzt Dr. Jörg Jähn ist Mannschafts-Tierarzt der deutschen Zweispännerfahrer und betreibt die Tierklinik in Königslutter. Foto: privat

„Viele Reiter nehmen für sich gekühlte Getränke mit – in der Kühltasche sollte auch Platz für Kühlpads – zum Beispiel bei Wespenstichen – sein“. Eine „erweiterte“ Stallapotheke enthält zudem Kühlgamaschen oder essigsaure Tonerde, mit der die Beine über Nacht gekühlt werden können.

Sattel und Gamaschen

Auf dem Turnierplatz angekommen, ist das richtige Timing bis zum Start wichtig. „Ein rechtzeitiger Blick auf die Startertafel zeigt, ob es Zeitverzug gibt. Zu langes Abreiten sollte auf jeden Fall vermieden werden. Pferd und Reiter sollten sich möglichst viel im Schatten aufhalten“. Dass nach dem Ritt der Sattel abgenommen wird, sollte selbstverständlich sein. „Doch auch unter Gamaschen gibt es einen großen Hitzestau, daran denken viele nicht“, sagt Dr. Jähn. Ein heikler Ort auf dem Turnier kann der Hängerparkplatz sein. Nur selten gibt es genügend Schattenparkplätze und die Temperaturen im Anhänger können schnell stark ansteigen. Das Pferd draußen anzubinden, ist nicht immer sinnvoll, denn der Hänger selbst bietet ja auch Schatten. „Alle Klappen und Türen sollten geöffnet und das Pferd natürlich nicht allein gelassen werden“, so der Tierarzt.

Achtung Sonnenbrand

Auch Pferde können einen Sonnenbrand bekommen. Gefährdet sind alle unpigmentierten Hautstellen, insbesondere die Blesse und andere Abzeichen. Bestimmte Pflanzen wie etwa der Riesenbärlauch können zudem eine Photosensibilität hervorrufen. Schutz bieten Fliegenschutzmasken, Fliegendecken mit Kopfteil oder eine unparfümierte, wasserunlösliche Sonnencreme.

Duschen, aber richtig

Viele Pferde lassen sich bei heißen Temperaturen nach dem Reiten gern duschen. Das will aber gelernt sein. Vor dem Bad steht das ausreichend lange Trockenreiten, Atem und Pulsschlag müssen wieder auf normalem Niveau sein. Mit dem Wasserstrahl arbeitet man sich dann von unten nach oben, erst die Beine, dann Brust und Hals, dann der Rücken. Sinnvoll ist ein Schlauchaufsatz, der den Wasserstrahl reguliert.

Die meisten Pferde lieben es, bei großer Hitze abgeduscht zu werden. Aber alles in Maßen: Das Wasser darf nicht zu kalt sein, und mit dem Wasserstrahl arbeitet man sich dann von unten nach oben, erst die Beine, dann Brust und Hals, dann der Rücken. Foto: Sorge/Bronkhorst

Achtung: Das Wasser darf nicht zu kalt sein, die Blutgefäße ziehen sich schnell zusammen und es drohen Kreislaufprobleme. Außerdem schwitzt das Pferd vermehrt nach. Das Pferd zum Trocknen einfach in die Sonne zu stellen, ist übrigens kontraproduktiv. „Erst muss das warme Wasser mit dem Schweißmesser entfernt werden, sonst gibt es keine Abkühlung“, sagt Dr. Jähn. Und genau auf die Abkühlung kommt es ja an. „Im Kern des Körpers herrschen höhere Temperaturen, als wir sie rektal messen können. Im Schnitt können zu der rektal gemessenen Temperatur zwei bis drei Grad hinzu addiert werden. Fehlt die Abkühlung, können Eiweiße verklumpen und starke Muskelschäden entstehen“.

Auch die Hufe verlangen im Sommer besonderes Augenmerk, sie sind oft trockener und dadurch spröde. Lösen lässt sich dieses Problem nur mit Wasser, Wasser und nochmal Wasser; Huffett kann es eher noch verstärken, weil es Feuchtigkeit nicht durchlässt und die Hufe eher „versiegelt“.

Nachts auf die Weide

Zum Sommer gehört Weidegang. Dass die Bewegung an der frischen Luft durch die wechselnden Klimareize den Organismus trainiert und ihn so für hohe Temperaturen unanfälliger macht, klingt zwar recht logisch, ist aber wissenschaftlich nicht erwiesen. „Generell gilt, dass Pferde, die Probleme mit dem Stoffwechsel haben, das ganze Jahr über auf der Weide am besten aufgehoben sind. Pferde, die im Winter in der Box stehen und mit Heu und Hafer gefüttert werden, müssen langsam auf den Weidegang vorbereitet werden“, sagt Dr. Jähn. Das Wichtigste auf der Wiese sind eine ausreichende Wasserversorgung, genügend Schattenplätze und ein langanhaltender Fliegenschutz.

Je nach Größe, Kondition sowie Feuchtigkeit des Grases und Witterung brauchen Pferde mindestens 20 bis 60 Liter Wasser pro Tag. Sind keine Selbsttränken vorhanden, eignen sich fahrbare Wasserbehälter. Diese sollten nicht direkt am Zaun, am Tor oder unter einem Baum stehen, rangniedere Pferde können dann nicht ausweichen. Offene Bottiche oder Wannen können schnell verschmutzen und sind zudem ebenso wie kleine stehende Gewässer ideale Brutstätten für Mücken & Co. Selbstverständlich müssen die Tränken regelmäßig kontrolliert werden. Natürlichen Witterungsschutz bieten Baumgruppen oder hochstämmige breitkronige Bäume wie etwa Hainbuche, Linde oder Ulme. Auch Schutzhütten oder mobile Weideunterstände sorgen für Schatten. Vor dem Bau bzw. der Aufstellung sollte man sich aber unbedingt beim zuständigen Bauamt über die Zulässigkeit informieren, auch die vermeintlich genehmigungsfreien fahrbaren Hütten sind nicht immer erlaubt.

Schutz vor Fliegen versprechen Lotionen und Sprays, relativ neu auf dem Markt sind schweiß- und wasserfeste Insekten-Halsbänder; mechanischen Schutz bieten Fliegendecken und -masken. Dennoch: Bei starkem Insektenaufkommen oder an sehr heißen Tagen sollten Pferde möglichst nur nachts auf die Weide gestellt werden. Auch im Stall gilt es im Sommer einige Dinge zu beachten. Zu den hohen Temperaturen gesellen sich gefährliche Ammoniakdämpfe. Ammoniak entsteht vor allem beim Abbau von Urin und wird bei Wärme gefördert. Liegt zu viel Ammoniak in der Luft (mehr als 10ppm), werden die Schleimhäute gereizt, Atemwegs-erkrankungen sind die Folge. Frische Luft ist daher auch im Stall unerlässlich.

Gegen trockene Hufe hilft nur: Wasser, Wasser, Wasser. Foto: Frank Sorge

Damit die Luft zirkulieren kann, sollten Fenster und Türen stets geöffnet sein, Windschutznetze oder Lamellenvorhänge verhindern Zugluft. Penible Stallhygiene ist im Sommer besonders wichtig: Die Boxen sollten mindestens einmal am Tag gemistet werden. Das schränkt nicht nur die gefährlichen Ammoniak-Dämpfe ein, sondern bietet auch dem Fliegenbefall Paroli. Auch die Luftfeuchtigkeit ist ein wichtiger Punkt: Hohe Luftfeuchtigkeit im Zusammenspiel mit hohen Temperaturen ist ein ideales Milieu für die Bildung von Schimmelpilzen und anderen Krankheitserregern. Der Wasserbedarf der Pferde ist im Sommer auch im Stall höher, die Tränken sollten also auch hier regelmäßig kontrolliert werden. Fazit: Der Sommer ist für viele die schönste Jahreszeit und lässt man es alles etwas ruhiger angehen, gibt es auch keine Probleme. Was für das Pferd gilt, gilt auch für den Reiter: ausreichend Wasser trinken, sich möglichst im Schatten aufhalten, die Mittagshitze meiden.

Wasserstellen und Bäche sollten, wann immer es möglich ist, in den Ausritt integriert werden. Wasser erfrischt, kühlt die Beine und bringt Feuchtigkeit ins Hufhorn. Foto: Frank Sorge

Als die Temperaturen in diesem April plötzlich von Minus- auf sehr hohe Plusgrade anstiegen, hatte Dr. Jähn eine Beobachtung gemacht: „Viele Pferde hatten schnell ihr Winterfell abgeworfen. Offensichtlich hatten sie eine Antenne dafür, dass das Frühjahr so warm werden würde!“

Birgit Ende

Richtwerte für das Stallklima

• Stalltemperatur soll der Außentemperatur gemäßigt folgen
• Relative Luftfeuchtigkeit: 60–80 Prozent
• Ammoniakgehalt der Luft: kleiner 10 ppm
• Kohlendioxidgehalt der Luft: kleiner 1.000 ppm

Quelle: Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen

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